VEHLEN (jh). Schaumburger Wochenblatt: Frau Fortmann, laut lokalen Zeitungsberichten hat das Agaplesion Ev. Klinikum Schaumburg im letzten Jahr einen Verlust von 3,9 Millionen Euro gemacht? Diana Fortmann: „Grundsätzlich geben wir über Interna keine Auskünfte, deshalb werden auch Sie von mir keine konkreten Zahlen erfahren. Zudem gibt es noch keinen endgültigen Abschluss, so dass es gar keine belastbare Zahl gibt. Allerdings ist es richtig, dass wir bisher deutlich hinter dem zu erwartenden Jahresergebnis geblieben sind. SW: Sind Sie denn davon ausgegangen, dass Sie in diesem Jahr eine „schwarze Null” schreiben oder sogar einen Gewinn erwirtschaften? Fortmann (lacht): „Nein! Es war abzusehen, dass nach dem Jahr des Umzuges mit Einbußen zu rechnen sein wird. Aufgrund der Situation, dass unsere drei Alt-Standorte kurz vor der Schließung standen, haben sich viele Patienten dafür entschieden, sich in Kliniken außerhalb von Schaumburg behandeln zu lassen. Deshalb war das Jahresergebnis der Häuser in Bückeburg, Rinteln und Stadthagen in 2017 schlecht, wir hatten deutlich weniger Einnahmen. Somit haben wir hohe Schulden in das Eröffnungsjahr 2018 des neuen Klinikums in Obernkirchen mitnehmen müssen. Dazu kamen noch - neben den baubedingten Einzugsverzögerungen, die auch Kosten verursachten - viele weitere Kosten. Zum Beispiel mussten wir für unsere nebenamtliche Werkfeuerwehr neben den Kosten für die Ausbildung der Mitarbeiter, die Dienst- und Schutzkleidung auch einen Einsatzleitwagen und ein Löschgruppenfahrzeug anschaffen. Kurz vor und nach dem Einzugstermin kamen dann noch Personalkosten hinzu, die entstanden sind, da unsere Mitarbeitenden für scheinbar banale Dinge, wie zum Beispiel das Einräumen von Schränken und Einrichten von Untersuchungszimmern, Überwachungsräumen, viele Überstunden machen mussten, die auf dem „Überstunden-Konto” landeten.” SW: Das Agaplesion Ev. Klinikum Schaumburg ist mit 95 Millionen Euro vom Land Niedersachsen finanziert worden,… Fortmann: …zuzüglich der 50 Millionen Euro Eigenmittel der Agaplesion gAG, die am Eröffnungstag auf aktiviert wurden und somit in dem Geschäftsjahr 2018 zu Buche schlagen. Glücklicherweise ist der Agaplesion Konzern eine gemeinnützige Aktiengesellschaft (gAG, Anmerkung der Red.), wir müssen keine Aktionäre bedienen. Dennoch müssen wir wirtschaftlich arbeiten, um die 50 Millionen Euro Darlehen Stück für Stück abzuzahlen. Bildlich gesprochen, müssen wir also den vollgepackten Rucksack an Schulden von Jahr zu Jahr leichter werden lassen, wir dürfen nicht weiteres, schweres Gepäck – also Schulden – oben drauf packen.” SW: Kommen wir nun zu den Einnahmen. Da gibt es die Fördermittel für pauschale Investitionen, die vom Land Niedersachsen jedes Jahr ausgeschüttet werden. Was haben Sie denn mit diesem Geld gemacht, Frau Fortmann? Fortmann: „Es ist nicht so, dass sich einmal im Jahr „einfach so” Gelder über Krankenhäuser ergießen. Die Gelder werden an jedes einzelne Krankenhaus zweckgebunden ausgeschüttet und die Höhe des Förderbeitrages orientiert sich dabei unter anderem an der Bettenzahl eines Krankenhauses. Wir haben den Beitrag in die Digitalisierung und in die Medizintechnik unseres Krankenhauses investiert. Leider sind diese Fördermittel immer sehr schnell ausgeschöpft.” SW: Hauptsächlich verdient ein Krankenhaus ja sein Geld mit der Behandlung von Patienten. Sie machen momentan Verluste, heißt das, dass zu wenige Patienten in das Klinikum Schaumburg kommen? Fortmann: „Ihre Schlussfolgerung klingt logisch, ist aber nicht komplett richtig. Die Behandlung der Patienten wird dem Krankenhaus durch die Krankenkassen in sogenannten Fallpauschalen vergütet. Eine Fallpauschale errechnet sich aus der eingestuften Fallschwere – je schwerer die Erkrankung, je höher der Aufwand der Behandlung, desto höher die Vergütung – multipliziert mit dem Landesbasisfallwert, der im Land Niedersachsen bei etwa 3.450 Euro liegt. Es sind die Hauptdiagnose, die Nebendiagnose sowie die Prozedur der Behandlung in ein Computersystem einzugeben. Aus diesen Angaben werden die Kosten für die jeweilige Krankenkasse errechnet, also der Erlös für das Klinikum. SW: Das heißt, ein Klinikum, das finanziell erfolgreich sein will, muss nicht nur besonders viele, sondern auch besonders schwer erkrankte Menschen behandeln? Fortmann: „Tja, ganz so einfach ist es auch in diesem Punkt nicht. Jedes Jahr vereinbart jedes Krankenhaus mit den Krankenkassen die Anzahl der zu behandelnden Patienten mit den dazugehörigen Fallschweren, es wird also ein Erlösbudget vereinbart. Ich erkläre Ihnen eine solche Vereinbarung zum Erlösbudget an einem leicht zu rechnendem Beispiel: Angenommen ein Krankenhaus hat im letzten Jahr 10.000 Casemix-Fälle im Erlösbudget vereinbart. Der Wert der erfolgten Casemix-Fälle liegt bei diesem Krankenhaus aber am Ende des Jahres bei 10.500, dann muss das Klinikum einen sogenannten Mehrerlösausgleich an die Krankenkassen zahlen. Das heißt, an die Krankenkassen müssen 65 Prozent der zusätzlichen Erlöse zurück gezahlt werden.” SW: Aber wenn man zielgenauer plant und mit den Krankenkassen vereinbart: In unserem Beispielfall wären es also 10.500 Casemix-Fälle von vornherein, werden diese sicherlich doch bezahlt? Fortmann: „Nein, leider nicht zu 100 Prozent. Krankenhäuser sind verpflichtet, zusätzliche Leistungen zu „rabattieren”. Ein Krankenhaus, das eine Steigerung erwartet, muss einen sogenannten Fixkostendegressionsabschlag, FDA genannt, zahlen. Er gilt über drei Jahre und liegt in einer Größenordnung von rund 35 Prozent des Gesamterlöses. Bleibt ein Klinikum aber unter seiner Vereinbarung, muss es diesen FDA dennoch zahlen. Krankenhausfinanzierung ist äußerst kompliziert (lacht).” SW: Machen Sie sich Sorgen über die Zukunft des Schaumburger Klinikums? Uns hat ein Gerücht erreicht, nach dem die Agaplesion gAG, die 60 Prozent der Anteile an diesem Klinikum hält, angeblich darüber nachdenkt, das Klinikum zu verkaufen? Fortmann: „Unsere Gesellschafter haben keinesfalls vor, das Klinikum zu veräußern! Wir sind hier, trotz aller Anfangsschwierigkeiten - die übrigens jedes neues Klinikum hat – auf einem guten Weg. An den Altstandorten waren wir Grund- und Regelversorger. Hier in Oberkirchen sind wir ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung, das heißt, wir behandeln seit Einzug in den Neubau deutlich schwerer erkrankte Patienten. Außerdem sind wir seit dem 1. November Akademisches Lehrkrankenhaus der Wilhelms-Universität in Münster. Diese Anerkennung ist eine große Auszeichnung und unterstreicht die hohe Qualität der medizinischen Versorgung an unserem Klinikum, der Schwerpunktversorgung und bedeutet, dass Medizinstudenten im letzten Jahr des praktischen Teils ihres insgesamt sechsjährigen Studiums, dem sogenannten Praktischen Jahr (PJ), in Obernkirchen absolvieren können. In Zeiten des Ärztemangels ist die Ernennung unseres Klinikums zum Akademischen Lehrkrankenhaus ein gutes und wichtiges Signal für die Gesundheitsversorgung des gesamten Landkreises.” Foto: jh