Für Werner war es der erste Auslandseinsatz als Zuchtrichter. In Deutschland reiste er bereits von Nord nach Süd und Ost nach West, um bei einer Vielzahl von Schauen Vögel zu bewerten. Sein nächster Einsatz ist bei der Bundesschau am 22. November in Kassel, wo er hauptverantwortlich ist für die Bewertung von Großsittichen und Papageien. Sieben weitere Zuchtrichter unterstützen ihn dabei. Während Werner bei deutschen Ausstellungen um die 250 Vögel an einem Tag bewerten muss, waren es in Pakistan fast 900 Nymphensittiche, Agaponiden und Großsittiche, die er nach den geltenden Richtlinien in Augenschein nahm: „Eine Mammutaufgabe!” Ende Oktober war es soweit. Über Istanbul flogen Vater und Sohn Werner nach Lahore, stiegen aus dem Flieger und gelangten in den Alama Iqbal International Airport, wunderbar klimatisiert und modern: „Doch sobald wir aus dem Flughafen heraus waren, war es wie mit einem Hammer gegen den Kopf”, so Werner, denn Hitze, Luftfeuchtigkeit und Smog machten das Atmen schwer. Eingeladen zu der Nationalschau hatte der Verein „Pakistan Aviculturists Guild”, kurz „PAG”. Jeder war unglaublich bemüht, es den internationalen Zuchtrichtern im Land so angenehm wie möglich zu machen. „Es war zum einen wie aus 1001 Nacht, zum anderen aber auch ganz schön gruselig an manchen Orten”, gestand Werner. Begleitet wurde die Gruppe durchgängig von mehreren Pakistanis, zum Teil, wie die Zuchtrichter feststellen mussten, bewaffnet. Sprachschwierigkeiten gab es nicht: „Mit Englisch kommt man prima durch”, so Werner. Froh war er, dass sie immer Fahrer für die Strecken in der Stadt zur Verfügung gestellt bekamen: „Selbst fahren ist so gut wie unmöglich; auf dreispurigen Fahrbahnen fahren in der Regel fünf Autos nebeneinander und zwischendrin sind ohne Ende Motorräder!” Am ersten Tag war Sightseeing angesagt. Das Weltkulturerbe „Lahore Fort” war gigantisch in seinen Ausmaßen und nicht weniger beeindruckte die Reisegruppe die größte Moschee der Stadt, die Badshahi-Moschee, die 100.000 Menschen zum Gebet fasst. Beeindruckend auch ihr „Promi-Status”: „Wir sind mit unseren Begleitern an schier endlosen Menschenschlangen vorbeigefahren, haben direkt vor der Moschee geparkt und wurden sofort umringt von Pakistanis, die Selfies mit uns machen wollten!” Dann der Tag der Bewertung. Auch hier Superlative: „Überall waren Sicherheitskräfte im Liberty Castle!” Dort, in einer der schönsten Locations in Lahore, fand die Vogelschau statt. Lars Voss aus Dänemark, Yasser Wahid aus Ägypten und Oliver Werner aus Deutschland bewerteten die Vögel: „Ich war von mittags bis Mitternacht im Dauereinsatz”, so Werner, der am Ende die entsprechenden Rosetten für die Sieger überreichte. Auch hier die nächste Überraschung. Während in Deutschland die Unterlegenen ihre Platzierung klaglos hinnehmen, wurde Werner freundlich gefragt, ob man nicht doch „...etwas machen könne”, damit der Vogel des Züchters auch so eine Auszeichnung erhält und nicht traurig sein müsse. Doch auch das Knistern von Geldscheinen konnte Werner nicht umstimmen und der Züchter ging leer aus. Was Oliver Werner feststellte: „Die Qualität der ausgestellten Tiere war absolut top!” Viele Pakistanis kaufen ihre Vögel bei europäischen Züchtern oder haben bereits Nachzuchten von ihnen. Was auch auffiel: „Im gesamten Saal lag Teppichboden aus, es wurde geraucht, die Kippen auf den Boden geworfen und es spielte Live-Musik!” Szenarien, die bei deutschen Ausstellungen unmöglich sind. Auch die Dimensionen, in denen pakistanische Züchter denken, ist hier unvorstellbar: „Der Präsident dort hat alleine schon 1.000 Nymphensittiche, 700 Wellensittiche und 500 Agaponiden, also kleine Papageien!” Solche Ausmaße kennt man hier nur in Zoos. Als Dorian und Oliver Werner nach vier Tagen Reise wieder in Deutschland landeten und einen Temperatursturz von 30 Grad auf vier Grad verkraften mussten, blieben eine Menge Eindrücke, die sie nie vergessen werden: „Für das nächste Jahr haben wir schon wieder eine Einladung”, freut sich Werner. Foto: privat