Das ist die Realität, die man bei einem Besuch des Stadthäger Tierheims deutlich erkennt. „Unwürdig für die Tiere - aber auch für die Menschen, die sich hier für die Tiere engagieren“, unterstreicht Kassner ihre Einschätzung hinsichtlich der über 60 Jahre alten Anlage und macht damit sehr deutlich ihrem Unmut über die fehlende Handlungstransparenz der Stadtverwaltung Luft.

Am 6. Juli findet die alljährliche Mitgliederversammlung des Vereins statt. Und ziemlich genau mit diesem Datum jährt sich die Zusage seitens der Stadtverwaltung, dass 2023 die Planung eines Neubaus abgeschlossen sein wird und im Jahr darauf ein Neubau entstehe.

Seit dem ist laut der Tierheimleiterin, die seit 2008 diese Position innehat, leider nicht ein Wort seitens der Verwaltung gegenüber dem Tierheim gefallen. Erst, nachdem das Schaumburger Wochenblatt in der letzten Woche eine Presseanfrage an die Verwaltung gerichtet hat, klingelte das Telefon im Tierheim. Iris Freimann, Leiterin des Fachbereichs Bürgerdienste im Rathaus erklärte gegenüber der Tierheimleitung, dass am 30. August in der öffentlichen Fachausschusssitzung Bürgerdienste, Ordnungswesen und Feuerwehr (BOF) die Planung für das neue Tierheim vorgestellt wird. Darüber hinaus sagte die Verwaltung zu, dass vor der BOF-Sitzung ein Gespräch mit dem Tierheim-Vorstand stattfinden wird. Im Anschluss daran müsse die Bauleitplanung erfolgen. Laut Stadthagens Bürgermeister Oliver Theiß wurden die letzten Monate dazu genutzt, mit dem Dachverband der Tierschutzheime die benötigte Fläche abzustimmen. Danach sei die zu planende Flächengröße ausgerichtet. Ein Grundstück wurde bereits ins Auge gefasst. Ob der ursprünglich genannte Fertigstellungstermin im kommenden Jahr nach wie vor Bestand hat, konnte der Verwaltungschef auf Nachfrage nicht zusagen. Der dafür zuständige Fachbereich sei noch nicht vollständig besetzt. Das könne zur Folge haben, dass sich Genehmigungen, die zur Fertigstellung notwendig sind, verzögern. Laut Aussage des Bürgermeisters, sei „das Projekt jedoch nicht mehr aufzuhalten.“ Dass bisher gar nichts passiert sei, ließ der Bürgermeister aus seiner Sicht nicht gelten. Nach einem Besuch im April 2022 habe die Stadt beispielsweise die Dachrinnen reinigen und Fenster einstellen lassen, damit zumindest dadurch keine Feuchtigkeit in das Tierheim eindringen kann. Auch an der Außenanlage habe der Bauhof gearbeitet. Darüber hinaus habe man sich auch mit Vertretern des Tierheims infrage kommende Grundstücke angesehen.

Sonst sieht es eher mau mit den Fakten aus. Für die Fertigstellung des Neubaus hat die Stadt insgesamt 285.000 Euro in ihren Etat eingestellt, für die Planung des Baus 16.500 Euro. Bisher wurden keinerlei Teilbeträge der Planungskosten abgerufen. Bisher stellt die Stadt die Immobilie zur Verfügung und kommt auch für die Verbrauchskosten auf. Darüber hinaus wird seitens der Stadt für die ersten 30 Tage die Versorgung der Tiere sichergestellt. Danach zahlt das Tierheim aus Mitgliedsbeiträgen und Spendenerlösen das Futter und die Tierarztkosten für Hund, Katze, Hase. „Da kommt schnell ein großer Batzen Geld zusammen, wenn man bedenkt, dass die Pflicht-Kastration einer Katze bereis mehr als 350 Euro kostet“, klärt Kerstin Kassner auf. Insgesamt hat das Tierheim Stadthagen mit Kerstin Kassner und Frau Schiller zwei festangestellte Mitarbeiterinnen. Sie werden durch ehrenamtliche Tierfreunde tatkräftig unterstützt, um den Betrieb des Tierheims am Laufen zu halten. Wie angespannt die Situation im Tierheim ist, war im Gespräch mit den Beteiligten zu spüren. „Die Nerven liegen blank, wenn man täglich zusehen muss, in welcher Umgebung die Tiere hier gehalten werden“, lautet die einhellige Meinung der Tierschützer.

Nach einem Besuch im März letzten Jahres hatte der Bundesvorsitzende des Tierschutzbundes Thomas Schöder harsche Kritik an den Zuständen im Stadthäger Tierheim geübt und damit in erster Linie die Stadtverwaltung als Betreiberin der Immobilie in die moralische Pflicht genommen. Die Zustände im Tierheim bezeichnete Schröder seinerzeit als miserabel. Bereits vor einem Jahr sagte er deutlich, dass das Tierheim eigentlich geschlossen werden müsse - so schlecht sei der bauliche Zustand der Anlage. Auf telefonische Nachfrage des Schaumburger Wochenblatts bestätigt Schröder die Kontaktaufnahme der Stadtverwaltung. Allerdings war diese im Juli letzten Jahres, es wurden eine Flächenbedarfseinschätzung und Beispielbilder angefordert - mehr nicht. Der Tierschutzbund-Präsident machte in dem Telefonat unmissverständlich deutlich, was er von der Situation, auch jetzt nach einem weiteren Jahr, hält. Er teilte seine „bittere Erkenntnis“ mit, dass der Bürgermeister aus seiner Sicht ganz offensichtlich keinen dringenden Handlungsbedarf erkannt hat und attestierte ihm „komplettes Dienstversagen“ in diesem Fall. Der bauliche Zustand im Tierheim Stadthagen sei unwürdig für jede Kommune, so könne man, abgesehen von den Tieren, auch nicht mit Menschen im Ehrenamt und im Hauptamt umgehen, kritisierte Schröder weiter die Verwaltungsspitze. Wenn doch bereits vor mehr als einem Jahr die komplette Tragweite des Schadens ersichtlich war, sei es nach Worten des Tierschutz-Vorstands nicht nachvollziehbar, dass nicht nach kreativen Übergangslösungen gesucht wurde. „Wären diese Umstände in der Kabine einer Jugendfußballmannschaft entdeckt worden, wäre nach spätestens einem Monat eine Sanierung erfolgt“, beendete Schröder sein Statement.