Damit könnten nach heutigen Schätzungen zwischen 30 und 50 Prozent des Bedarfes abgedeckt werden. Wie die Situation in unserem Landkreis aussieht, besprach das Schaumburger Wochenblatt mit dem Wasserstoffmanager bei der Energieagentur Schaumburg, Martin Wilkening. Der Ingenieur wurde im November 2021 als Fachmann für Regenerative Energien mit einem Schwerpunkt auf Wasserstoff eingestellt. Im Rahmen der Ausschreibung eines Förderprojektes des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) 2019, wurde der Landkreis Schaumburg als eine von neun HyLand-Regionen in Deutschland ausgewählt. In der Kategorie HyStarter stand die Entwicklung eines Wasserstoffkonzeptes sowie die Herausbildung eines Akteurs-Netzwerkes im Vordergrund. Besonders bei der Netzwerkbildung und -erweiterung kann Wilkening auf eine sehr erfolgreiche Arbeit zurückblicken. Auch wenn die Projekt-Förderung bereits 2021 ausgelaufen war, steht der Ingenieur mit einer Reihe von Fachleuten, Projektplanern und engagierten Privatleuten im engen Kontakt. Mitte der Woche besuchte Wilkening die „Spatenstich-Veranstaltung“ von Dieter Ahrens in Bückeburg. Nach sehr viel Vorarbeit, innovativen Ideen und einer hohen Investitionssumme, entsteht an seinem Firmensitz das Endlos-Energie-Zentrum (EEZ), ein zukünftig komplett energieautarkes Firmengebäude (Siehe Seite Bückeburg). Die Grundidee ist auch eines der zukunftsweisenden Ziele des Wasserstoffmanagers, nämlich eine geschlossene Wasserstoffwertschöpfungskette zu schaffen. Von der Erzeugung grünen Stroms durch Windenergie (WE) und Photovoltaik (PV), über die Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse und die Verwendung dieses Elementes in Brennstoffzellen zur Gewinnung von Strom in Zeiten, in denen WE und PV nicht genügend Energie leisten. Ein zweites Ziel von Wilkening ist die Schaffung eines leitungsgebundenen Transportsystems – idealerweise regional (50 – 100 Kilometer Radius). Der Transport über weite Strecken mittels Lkw ist uneffektiv und ein neues Leitungsnetz extrem teuer. In der konkreten Planung der Bundesregierung ist derzeit ein Wasserstoff-Kernnetz mit einer Strecke von circa 11.000 km. Damit sollen bis 2032 die großen Einspeiser mit den großen Verbrauchern verbunden werden. Diese sind insbesondere bei der Stahlindustrie, der chemischen Industrie sowie bei den heutigen Gaskraftwerken zu finden. Auf der Karte dieses Wasserstoffkernnetzes ist der Landkreis Schaumburg nicht vertreten.
“Es führt kein Weg an der chemischen Industrie, an der Stahlindustrie und an der Stromerzeugung in den Gaskraftwerken vorbei! Das ist gesetzt!“
Martin Wilkening war sehr deutlich in seiner Prognose für die energieintensiven Bereiche. Weniger klar stellt sich auch für ihn die Zukunft in der Mobilität und bei den Privathaushalten dar. Für den Transport von Wasserstoff kann man zum großen Teil die bestehende Infrastruktur der Gasversorgung nutzen. Umbauten sind bei Dichtungen, Verteilern und möglicherweise an den Brennern erforderlich, nicht aber bei den Leitungen. Das Problem ist jedoch, dass die Leitungen bis dahin für den Transport von Gas genutzt werden müssen. Mit dem Wissen um die großen Hürden auf dem Weg zur „Wasserstoff-Nation“, setzt Wilkening auf regionale Wasserstofferzeugung. Im April 2022 hatte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil auf dem Plateau der Halde Georgschacht die Frage nach geschwindigkeitshemmenden Faktoren gestellt. Alle Beteiligten waren sich damals einig, dass es keine ernsthaften Hürden gäbe. Derzeit warten Verwaltungen, Eigentümer und Investoren auf das für September angekündigte Sanierungsgutachten. Das Gutachten soll Licht in den Vorschriftendschungel bringen und hoffentlich endgültig einen Weg aufzeigen, wie das Vorzeigeprojekt, eine Freiflächen-PV-Anlage von etwa 25 Hektar Größe, am Ende eines holprigen Weges noch realisiert werden kann. Martin Wilkening ist sich sicher:“ Für eine regionale Wasserstofferzeugung werden erneuerbare Energieprojekte in der Größe Halde Georgschacht benötigt!“ Anhand eines einfachen Rechenbeispiels belegte er die Aussage. Für die Produktion von grünem Wasserstoff mit einem Vollast-Elektrolysator werden circa 20 Megawatt aus einer PV-Anlage benötigt. Das entspricht etwa der Fläche von 20 Hektar und damit ist der Georgschacht neben den Vorteilen der kompletten Sanierung von Altlasten ein ideales Gelände für eine der größten Freiflächen-PV-Anlagen Norddeutschlands.
“Nur mit den Dächern allein, wird die Energiewende nicht gelingen!“
Sehr erfreut zeigte sich der 44-jährige Ingenieur über den Zubau von PV-Anlagen auf Schaumburgs Dächern. Im ersten Halbjahr 2023 waren bereits mehr Dachanlagen installiert worden, als im ganzen Jahr 2022. Insgesamt sind über 6.000 Anlagen auf den Dächern von Wohnhäusern und Gewerbeobjekten im Landkreis bei der Bundesnetzagentur registriert. Selbst die Anschaffung von Balkonkraftwerken begrüßt Wilkening. In der Summe, leisten die Kleinanlagen einen erkennbaren Beitrag zur Produktion grünen Stroms. Keine andere Anlage amortisiert sich so schnell, wie ein Balkonkraftwerk. Sorge hingegen bereitet dem Wasserstoffmanager das Thema Windenergie im Landkreis Schaumburg. Nach dem Niedersächsischen Klimaschutzgesetz müssen 2,2 Prozent der Landesfläche als Windvorranggebiete ausgewiesen werden. Heruntergebrochen auf die kommunale Ebene, bedeutet das für Schaumburg jedoch, dass hier lediglich 0,07 Prozent ausgewiesen werden müssen. Der Grund für die erhebliche Beschränkung sind die Vorgaben der Bundeswehr, die mit ihren Standorten in Achum und Wunstorf strenge Höhenbegrenzungen vorgeben. Diese sind für moderne Windenergieanlagen jedoch nicht mehr rentabel. In Zahlen ausgedrückt: Bei einer Landkreisfläche von 676 Quadratkilometern würden bei 2,2 Prozent etwa 14, 9 Quadratkilometer Fläche ausgewiesen werden. Schaumburg muss jedoch lediglich 0,07 Prozent ausweisen und das entspricht gerundet 0,48 Quadratkilometer. Wilkening würde sich hier mehr Flexibilität wünschen. „Wenn der politische Wille auf allen Ebenen da ist, sind die Ziele der Energiewende erreichbar,“ lautet sein positives Fazit.