Die Automatismen, die Hannover eine solch erfolgreiche Halbsaison beschert hatten, griffen in Nürnberg nicht wie zuletzt gewohnt. Manuel Schmiedebach und Sergio Pinto konnten im zentralen Defensiven Mittelfeld nicht die Präsenz entwickeln, mit der sie normalerweise gegnerische Angriffsbemühungen ausbremsen, dem Gegner den Ball abluchsen und fix wieder den Vorwärtsgang einlegen. Konstantin Rausch und Lars Stindl setzten sich über außen zu selten durch, um Gefahr vor dem Nürnberger Tor heraufzubeschwören, die Stürmer Jan Schlaudraff und Rückkehrer Mohamed Abdellaoue erzielten wenig Wirkung. So war in einem wenig ansehnlichen Spiel der Doppelschlag der Nürnberger in der ersten Hälfte vorentscheidend. Steven Cherundolo fälschte zum 0:1 mit Eigentor ab, bei einem Standard war der Nürnberger Abwehrrecke Andreas Wolf zwei Minuten später zur Stelle und traf zum 2:0. Im Folgenden liefen die Roten dem Rückstand hinterher, erzwangen jedoch auch nach der Einwechslung von Mike Hanke kaum Chancen. Sergio Pinto traf in der 75. Minute per Elfmeter nach Handspiel zwar zum 1:2. Kurze Zeit später machte Julian Schieber jedoch alles klar für die Nürnberger, als er per Kopf zum 3:1-Endstand vollstreckte. So beendet Hannover 96 die Hinserie als Tabellenvierter mit 31 Punkten, kann stolz auf eine famose Gesamtleistung sein. Nach der peinlichen Pokalniederlage raufte sich die Elf zusammen und mauserte sich zu einem der Überraschungsteams der Liga. Enge mannschaftliche Geschlossenheit in Defensive und Offensive, Leidenschaft und hohe Laufbereitschaft bildeten die Grundlage des Erfolges. Mit zunehmender Sicherheit kamen auch ansprechende spielerische Elemente hinzu. Trainer Mirko Slomka fand ein System, in dem sich die Mannschaft sicher fühlt und das ihre Stärken zu Geltung bringt. Schon abgeschriebene Akteure wie Schlaudraff und Eggimann fanden zu alter Stärke zurück. Und auch Spieler die zumindest zeitweise in der zweiten Reihe standen wie Sofien Chahed oder Lars Stindl zeigten wenn gefordert gute Leistungen oder erarbeiteten sich ihren Platz in der erste Elf. Die Neuzugänge von Emanuel Pogatetz über Mohamed Abdellaoue bis Moritz Stoppelkamp erfüllten oder übertrafen fast gänzlich die Erwartungen. Welch große Bedeutung Didier Ya Konan für die Mannschaft spielt, zeigte sich einmal mehr in Nürnberg, als die Roten ohne ihn auskommen mussten. Auch in einem mäßigen Spiel kann der quirlig, dynamische Stürmer immer Gefahr heraufbeschwören, nicht zuletzt weil er mit scheinbar nie versiegender Zuversicht auch in aussichtslosen Situationen in Position läuft und so immer wieder im entscheidenden Moment zur Stelle ist. Um so wichtiger ist es für den Verein, den Ivorer mit einem neuen Vertrag mit einer Laufzeit bis 2014 längerfristig gebunden zu haben.
Bei aller Begeisterung über die starke Hinrunde sollte man die Mannschaft nun nicht mit der Zielsetzung „Internationales Geschäft” unter Druck setzen. Bayern München und Schalke 04 haben sich nach schwierigem Auftakt gefangen, dürften nach dem Winter mit Macht in Richtung Spitzenfeld drängen. Um so schwieriger wird es für die „Roten” sein, sich in solchen Regionen zu behaupten. Es gilt für Slomka und seine Mannschaft von Spiel zu Spiel zu schauen. Rufen sie ihre Fähigkeiten voll ab, sind sie in der Lage fast jedem Team in der Bundesliga gefährlich zu werden und den Fans so auch in der Rückrunde viel Freude zu bereiten.
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