Die Scheibe ist ordentlich abgeschliffen, die Ringe sind vorgezeichnet und auch der Griff für den Scheibenträger sitzt fest. Das ist stets der Moment, an dem Wilhelm Engelke die Scheibe packt, sich auf die Schulter legt und wenige Häuser weitergeht zu einem Malerbetrieb. Dort bekommt das Ehrenzeichen für die Rehburger Könige Anstrich und Jahreszahl, um dann am Schützenfest-Montag dem Umzug zum König voran getragen zu werden. Für Engelke ist das eine alt bekannte Prozedur. Begonnen habe alles 1974, erzählt er, während er sich über die Scheibe beugt, als er noch stellvertretender Bürgermeister Rehburgs war. Damals wie heute war das Schützenfest ein städtisches. Drei Könige gab es jeweils, aber lediglich für den Erstplatzierten eine Scheibe. Auf diese Scheibe wurde damals noch direkt geschossen. „Wenn viele gut getroffen haben, war der mittlere Ring überhaupt nicht mehr da”, erinnert er sich. Das führte dann dazu, dass die Scheibe leichter von der Witterung angegriffen werden konnte und meistens schnell vermoderte. Engelke ärgerte das – und so stellte er im Stadtrat den Antrag, auf eine Scheibe zu schießen und eine zweite unbeschädigte Scheibe dem König nach Hause zu bringen. Allzu große Hoffnungen, dass sein Antrag eine Mehrheit bekommt, machte sich Engelke nicht. Schließlich ist das Privileg, ein Schützenfest zu feiern, der Stadt bereits im Jahr 1736 verliehen worden. Und schließlich fühlen sich die Rehburger ihren Schützenfest-Traditionen verpflichtet. Jede Veränderung wird sehr genau auf den Prüfstand gestellt. Engelke hatte seinem Antrag jedoch einen Zusatz hinzugefügt. „Dafür mache ich euch die Scheibe das nächste Mal umsonst”, sagte er. Das war ein großzügiges Angebot, denn bislang hatten die drei Tischlerbetriebe in der Stadt reihum Jahr für Jahr den Auftrag zur Anfertigung der Scheibe erhalten. Der Antrag wurde jedenfalls positiv aufgenommen: zehn Mitglieder stimmten dafür, nur drei dagegen und Engelke spendierte die nächste Scheibe. Wie es dann allerdings kam, dass er dabei blieb und seitdem in jedem Jahr dem König die Scheibe spendet, weiß er auch nicht so genau. Vermutlich, schmunzelt er, habe das damit zu tun, dass er sich einfach über die vielen Scheiben freue, die immer noch heil und ganz an den Häusern hängen. Besonders viel Spaß hatte er in diesem Jahr an seinem Werk. Nachdem er in 2015 gesundheitlich so angeschlagen war, dass sein Sohn ihm bei der Scheibe zur Hand gehen musste, ist er nun wieder fit und kann alleine in der Tischlerei werken. Und auch mit 87 Jahren die Scheibe noch auf die Schulter nehmen, um sie zum Maler zu tragen. Foto: jan