Einführungsgottesdienst des neuen Landesbischofs | Schaumburger Wochenblatt

Einführungsgottesdienst des neuen Landesbischofs

Der Einführungsgottesdienst in der Stadtkirche. (Foto: nd)
Der Einführungsgottesdienst in der Stadtkirche. (Foto: nd)
Der Einführungsgottesdienst in der Stadtkirche. (Foto: nd)
Der Einführungsgottesdienst in der Stadtkirche. (Foto: nd)
Der Einführungsgottesdienst in der Stadtkirche. (Foto: nd)

Zum Einführungsgottesdienst des neuen Landesbischofs Dr. Oliver Schuegraf, hielt Dr. Schuegraf folgende Predigt, die uns die Landeskriche freundlicherweise vorab zur Verfügung gestellt hat:

Liebe Feiergemeinschaft,

wie stehen wir in der Welt da? In einer Welt voller Krisen? Wir als Getaufte? Wir als Trägerinnen und Träger des Heiligen Geistes? Wir als Kirche weltweit und in Schaumburg-Lippe?

Heute feiern wir erst einmal: jetzt diesen Gottesdienst und anschließend rund um die Kirche. Ich freue mich, dass so viele gekommen sind, um die Landeskirche und mich an diesem Tag zu begleiten.

Feiern ist in dieser Zeit bereits ein Statement. Denn vielen ist nicht so recht nach Feiern zumute. Die immensen Herausforderungen machen uns Angst: Klimawandel, Arten­sterben, Plastik in der Nahrungskette, Inflation und wirtschaftlicher Abstieg, Kriege – selbst vor unserer Haustür. Gerade haben wir 75 Jahre Grundgesetz gefeiert, und müssen uns doch Sorgen machen, wie unsere freiheitlich-demokratische Ordnung gegen ihre Feinde standhalten kann. Und um unsere Kirche ist es kaum besser bestellt: Die viel zu vielen Fälle von sexualisierter Gewalt machen uns fassungslos. Und wir haben zu Recht an Glaubwürdigkeit verloren. Die weiterhin hohen Austrittszahlen tun uns weh. Unsere gestalterischen und finanziellen Spielräume werden enger.

Haben wir überhaupt eine Chance, dass alles wieder ins Gleichgewicht kommt? Ist die Behauptung aus dem Johannesevangelium, dass der Heilige Geist uns Frieden gibt, nicht ein wenig vollmundig? Machen uns die ständigen Krisen nicht vielmehr mürbe und erschöpft? Ausgelaugt und mutlos?

Paulus hat dazu eine klare Haltung: Der Geist, der uns geschenkt wurde, ist nichtder Geist der Angst. Sondern? Hören wir eine „Kernbotschaft“ aus dem 2. Timotheusbrief.

Aus diesem Grund erinnere ich dich daran, dass du erweckest die Gabe Gottes, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände. Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit für das Evangelium in der Kraft Gottes.

Liebe Gemeinde, dass Paulus die Gabe des Geistes an der Handauflegung festmacht, passt in einem Einführungsgottesdienst natürlich ganz wunderbar. Aber letztlich und entscheidend haben wir alle bei unserer Konfirmation diesen Geist unter Handauflegung zugesprochen bekommen.

Nicht die Angst soll uns leiten. Sondern der Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit. Das sind drei starke Begriffe: oft verwendet, fast abgenutzt. Aber in dieser Konstellation doch inspirierend.

„Kraft“ – was für ein Wort! Um uns als Kirche zu charakterisieren, würde den meisten Kraft nicht als erstes einfallen. Wir wirken ja eher geschwächt. Aber es gibt auch Kräfte, die fast unsichtbar wirken, von innen her. In dieser Jahreszeit stehe ich oft staunend vor unserer Pfingstrose im Garten. Die überbordenden Blüten, die aus sich selbst heraus austreiben und nicht aufzuhalten sind: Das ist keine Gewalt, sondern eine innere Gesetzmäßigkeit, die blüht und gedeiht – „kräftig“ im besten Sinn des Wortes.

Manchmal erkenne ich so etwas auch in der Geschichte: Denken wir nur an die friedliche Revolution in unserem Land vor 35 Jahren! Da lag die Macht in den Händen eines Unrechtsregimes. Und lange sah es nicht so aus, als ob das schwache Pflänzchens des Aufbegehrens dagegen eine Chance hätte. Aber dann haben sich die gewaltfreien Initiativen und Proteste doch kraftvoll durchgesetzt, bis die SED-Herrschaft fiel.

Und damit sind wir beim zweiten Begriff von den dreien, die Paulus hier aufeinander aufbaut: bei der Liebe.

Kraft ohne Liebe führt zu Machtgier. Liebe ist das Korrektiv für die Macht. Die eigenen Kräfte vom Hass leiten zu lassen, ist unchristlich. Stattdessen: Zugewandtheit zu den Menschen, die uns umgeben. Auch Schrulligkeiten schmunzelnd wahrnehmen. Erst einmal allen guten Willen unterstellen. Bei jeder und jedem das Liebenswerte suchen … Das ist die Triebfeder, meine Kraft zugunsten anderer einzusetzen. Weil es mir selber guttut. Und weil es allen bessergeht, wenn Gesellschaft und auch Kirche so ticken: Nicht die Armen gegen die Reichen ausspielen, die Wirtschaft gegen das Soziale, meinen Vorteil gegen das Gemeinwohl, sondern Wege suchen, um die Welt für alle besser zu machen. Damit an den Segnungen der Schöpfung und der Kultur alle Menschen Anteil haben.

Wie das konkret gehen soll, ist nicht leicht. Da führen wir heftige Debatten. Und das ist gut so. Und das darf auch Zeit kosten. Denn da kommt der dritte Begriff ins Spiel: Besonnenheit. „Besonnenheit“ ist die Gegenprobe. Fragen, wo ich falsch liegen könnte. Wo wir differenzieren müssen. Wie sich Lebenserfahrungen der Anderen berücksichtigen lassen. Ob nicht ein Kompromissdie klügste Lösung wäre.

Und wieder geht es nur auf, wenn alles zusammenkommt: Besonnenheit ohne Liebe ist Kalkül. Besonnenheit ohne Kraft ist Langeweile. Besonnenheit ohne beides kippt in jene Verzagtheit, jene Furcht, die uns gerade nicht ausmacht. Sagt Paulus.

Warum nennt er eigentlich nicht einfach den Gegenbegriff zur Furcht: die Zuversicht? Die Hoffnung? Das wäre ihm vielleicht zu banal gewesen. Lieber gibt er uns mit den drei Begriffen ein „Rezept“ für Hoffnung: Diese„Kombi“ müsst ihr leben, um aus der Angst herauszukommen! Die gelungene Mischung der Geistesgaben weist uns den richtigen Weg: Den Weg zwischen Über-Mut und Klein-Mut. Gottes Geist der Kraft, der Liebe und Besonnenheit gibt uns Frei-Mut, also frei und mutig – freimütig – zu unseren Überzeugungen stehen und beherzt Neues ausprobieren.

Mit einem solchen Geist können wir uns als Evangelisch-Lutherische Kirche Schaumburg-Lippe schwungvoll in Bewegung setzen – und dürfen dabei ruhig auch mal scheitern. Wir dürfen uns ausprobieren in den Gemeinden und Kooperationsräumen. Nutzen wir die großeChance der kleinenLandeskirche, zügig und passgenau auf Veränderungen zu reagieren!

Manchmal brauchen wir allerdings auch etwas länger als andere: Unsere Kirche hat zum Beispiel jahrelang über die Frauenordination gerungen – aus Furcht, das Evangelium misszuverstehen. Heute wissen wir, dass dies theologisch falsch war. Was war uns da entgangen. Wie viel reicher ist unsere Kirche geworden. Ecclesia semper reformanda. Diese Einsicht gehört zum Wesen lutherischer Kirchen. Wir werden uns immer wieder ein Stück weit neu erfinden – vielleicht, indem wir jungen Menschen bereits jetzt mehr Verantwortung für unsere Kirche übertragen!? Oder wenn wir noch inklusiver und einladender werden.

Nach außen hat sich unsere Kirche in den letzten Jahren geöffnet. Dieser eingeschlagene Weg wird uns auch zu neuen Ideen führen, wie wir mit vielen unterschiedlichen Akteuren in der Gesellschaft Allianzen schließen. Wir dürfen ja dankbar feststellen, dass sich die Werte des Grundgesetzes mit der Botschaft des Evangeliums decken. Als Kirche stehen wir für Nächstenliebe, Toleranz, und den Schutz der Schwächsten. Wo immer der Wert und die Würde eines Menschen bestritten wird, wo Rassismus und Antisemitismus auf dem Vormarsch sind, da müssen wir von unserem Glauben her Einspruch erheben: Wir gehen auf wichtige Wahlen zu. Eine Partei, die diese Werte nicht teilt, ist für Christinnen und Christen nicht wählbar und extreme Vertreterinnen und Vertreter solcher Parteien sollten in unseren Kirchen auch kein Amt innehaben. Punkt.

Insgesamt freue ich mich darauf, in den nächsten Jahren gemeinsam mit allen in der Landeskirche das zu leben, was den Kern allen kirchlichen Lebens ausmacht: nämlich Hilfs­gemeinschaft, Lerngemeinschaft und Gottes­dienstgemeinschaft zu sein. Als Hilfsgemeinschaftwerden wir innerhalb der Kirche und auch im öffentlichen Raum diakonisch handeln, zuhören, unterstützen.
Als Lerngemeinschaftwerden wir uns gemeinsam das Evangelium, also die frohe Botschaft Christi aneignen und sie weitergeben.

Und als Gottesdienst­gemeinschaftwerden wir mit dem dreieinen Gott und miteinander fröhlich feiern.

All dies wird möglich, wenn wir auf die von Gott geschenkte Kraft vertrauen,
wenn wir uns immer wieder vom Evangelium auf die Liebe verpflichten lassen,
und wenn wir gegen die Hektik und Panik unserer Tage besonnen, gelassen
– ja sogar „frei-mütig“ – bleiben,
dann geben wir Zeugnis von dem Geist, den Gott uns geschenkt hat.
Amen.

In der Stadtkirche. (Foto: nd)
In der Stadtkirche. (Foto: nd)
In der Stadtkirche. (Foto: nd)

Nadine Dressler
Nadine Dressler

Redakteurin Schaumburger Wochenblatt

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