Wenn Kirchengemeinden runde Geburtstage feiern, denken viele an Rückblicke, Archivfotos und einen Festkaffee. Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde St. Johannes in der Barne wählte an Pfingstsonntag einen anderen Weg. Die Gemeinde, die vor genau 50 Jahren gegründet wurde, zeigte lieber, was ist – und was noch kommt. Denn hier herrscht kein Rückzugsmodus, sondern Bewegung. Und die ist spürbar – in der Vielfalt, der Offenheit und einer bemerkenswert geerdeten Spiritualität.
„Manchmal schauen wir selbst überrascht auf das, was in den letzten Jahren entstanden ist“, sagte Pastor Claus Carsten Möller. „Vieles war gar nicht geplant – es hat sich einfach ergeben. Oder wie ich gern sage: Es ist uns zugewachsen.“ Seit der Einweihung des neuen Gemeindezentrums am Pfingstsonntag 2015 hat sich das Gemeindeleben spürbar verändert. Neue Formate wie der generationenübergreifende „Gottesdienst Bunte Gemeinde“, Segnungsgottesdienste oder ein wöchentlicher Spieleabend sind entstanden. Die Pandemie wirkte dabei nicht als Bremse, sondern als Katalysator: YouTube-Andachten, digitale Glaubenskurse, ein Adventskalender – Kirche wurde plötzlich auch im Netz erfahrbar.
Dazu kamen wöchentliche Angebote für Kinder im Vorschulalter, ein Jugendtreff am Montagabend, eine wiederbelebte Jugendkantorei und ein wachsender Spontanchor. Die jährliche Konfirmandenfreizeit in Südtirol wurde um einen Vertiefungskurs für ältere Jugendliche erweitert – mit Erfolg. Entscheidend dabei: Fast nichts davon wurde am Schreibtisch entworfen. „Es ging nie darum, ein Hochglanzprogramm zu entwerfen“, sagt Möller. „Wir hören genau hin, was sich zeigt – in den Menschen, in ihren Fragen, in kleinen Impulsen. Und wir probieren aus.“
Spürbar ist das auch in der Zusammensetzung der Gemeinde. Heute gehören auch viele Christinnen und Christen mit Migrationsgeschichte dazu – manche von ihnen wurden in ihren Herkunftsländern wegen ihres Glaubens verfolgt. Andere waren lange kirchenfern oder stammen aus anderen Konfessionen. Viele haben in St. Johannes eine geistliche Heimat gefunden, bringen sich ein, gestalten mit. Der klassische Sonntagsgottesdienst – früher eher statisch – hat sich dabei still und stetig gewandelt. Er ist heute für viele zur Kraftquelle geworden. „Für viele ist der Gottesdienst zur Tankstelle für den Alltag geworden“, sagt Möller. „Nicht, weil er perfekt ist, sondern weil er echt ist.“
Die große Feier zum Jubiläum fand – wie es sich gehört – am Pfingstsonntag statt. Und sie war mehr als ein Pflichttermin. Emotional, lebendig, dankbar. Rund 200 Gäste waren da und blieben auch noch lange, um gemeinsam zu feiern. Bürgermeister Carsten Piellusch sprach in seinem Grußwort offen von seiner persönlichen Verbindung zur Gemeinde: „Ich bin hier konfirmiert worden. Auch meine Töchter wurden hier eingesegnet. Und meine Eltern wurden in zwei Einrichtungen betreut, für die St. Johannes die Trägerschaft trägt. Diese Gemeinde ist Teil unserer Stadt – und Teil meines Lebens.“ Es war ein Moment spürbarer Nähe, jenseits politischer Floskeln. Auch Superintendent Rainer Müller-Jödicke betonte in seinem Beitrag den besonderen Geist dieser Gemeinde: „Hier ist etwas gewachsen – über Jahrzehnte hinweg. Und wer hier Pfingsten feiert, merkt: Der Geist weht tatsächlich. Lebendig, bewegend, inspirierend.“
Dass sich diese Dynamik nicht aus Gemeindestrategien speist, sondern aus einer gelebten, offenen Christusbeziehung, ist für Pastor Möller klar: „Wir Christen glauben, dass Jesus Christus auferstanden ist – dass er lebt. Und ich glaube, dass wir das ernst nehmen dürfen. Wo er wirkt, da passiert etwas. Das sehen wir hier – immer wieder.“ Die Botschaft, die von diesem Jubiläum ausgeht, ist eindeutig: Diese Kirche ist nicht alt – sie ist lebendig. Sie hört zu. Sie entwickelt sich. Sie bleibt dran.