Vor ihm steuerte Sören Kramer, ebenfalls Mitglied im Komitee, den Traktor – hinter ihm lief ein einzelner Bürgerschütze: Joachim Stürck, der in voller Montur mit schwarzem Anzug, Krawatte, Zylinder und Rosenstock parat stand. Das Gespann bewegte sich die Lange Straße hinunter bis zum Bassenbrink, wieder hinauf zur Kreuzung, am Freibad vorbei bis zum Festplatz, also auf der Marschroute, die das Bataillon sonst abgelaufen wäre. Es war nur eine von vielen Aktionen, die zum Schützenfestdatum – stets rund um den zweiten Sonntag im Juli – stattfanden. Denn irgendetwas auf die Beine zu stellen, das war dem Komitee wichtig, auch wenn es weiß: „Nichts kann das Schützenfest ersetzen”, wie es Frank Döpke als Komiteeältester ausdrückte, während er auf dem recht leeren Amtsplatz darauf wartete, dass sich der Traktor in Bewegung setzte. „Absolut nicht”, pflichtete ihm sein Stellvertreter Stephan Battermann bei: „Ich hatte eben schon ein komisches Gefühl gehabt.” Zum Live-Stream auf den Tischen tanzen Beim Aufzählen des Duos, was das Team alles organisiert hat, wurde schnell klar: Da waren kreative Köpfe am Werk, die leidenschaftlich gern etwas für ihre Heimatstadt tun. Allein ein Dutzend Videos wurde produziert, wobei die Komiteespitze insbesondere das Engagement der Grotjahn-Brüder Sascha und Kai hervorhob. Der Oberst und sein Adjutant zügelten die Pferde und ritten an drei Tagen durch die Deisterstadt, um bei den Komiteemitgliedern zu halten. Freitagabend lief ein Zeltdisco-Stream, der rund 1000 Leute erreichte. Gemeinsam mit den Organisatorinnen der sonst vor der Zeltfete steigenden Frauenpower-Party („Es wäre das zehnte Mal gewesen. Wir hoffen, dass ihr richtig Spaß habt beim Zuschauen zu Hause: Tanzt auf den Tischen und lasst die Korken knallen!”) begrüßte DJ Lorexx die virtuellen Gäste. Die lobten via Chatfunktion die Aktion als „prima Idee”, übermittelten ihre Grüße und motivierten „Stoff zu geben”. Zylinderträger liefern mehr als 130 Rouladen aus Früh aufstehen hieß es für den Komiteeältesten und das Komiteemitglied Kramer, die am Montagmorgen zum traditionellen Wecken erneut den Traktor knattern ließen. Statt der Kapelle saß diesmal ein gut gelaunter Frank Döpke auf dem Anhänger, der die Blasmusik über die Boxen aufdrehte. So wollte man sichergehen, dass auch ja keiner verschläft, da pünktlich zur Mittagszeit die vorbestellten Rouladen mit Rotkohl und Kartoffeln gebracht wurden. Einer soll es dennoch geschafft haben, im Bademantel die Tür zu öffnen. Mehr als 130 Bestellungen waren eingegangen, die sieben Komiteemitglieder in Anzug, Zylinder und Handschuhen auf jeweils rund 20-minütigen Touren reibungslos auslieferten. Eine Idee, die so gut schmeckte, dass sich einige bewogen fühlten, sich mit Bildern von ihrem „Festessen” beim Komitee zu bedanken. Weil Vorfreude die beste Freude ist: In Kleingruppen wird gefeiert Aber nicht nur die Verantwortlichen zeigten sich kreativ. So marschierten zum Beispiel einige Bürgerschützen am Sonntag die Lange Straße entlang, andere stellten sich am Straßenrand auf, als der Trecker vorbeirollte. Und auf Höhe des Freibads, wo sonst der Parademarsch stattfindet, salutierte eine kleine Truppe um zwei Jungschützen. Damit das Stehen nicht zu anstrengend wurde, hatten es sich Paul Gurschke und Nick Rinne während des Wartens bequem gemacht – auf einem Palletten-Sofa neben einer Kiste Gerstensaft. Auch andernorts kam man in Kleingruppen zusammen, um coronakonform wenigstens für einen Hauch Schützenfest-Feeling zu sorgen. Als Highlight in den Abendstunden erstrahlte das Rathaus in den Rodenbergfarben, am Sonnabend auch die Museumsinsel und am Montag der Ratskeller. Und die Jungschützen ließen es sich nicht nehmen eigenständig „ihre” Strohpuppe mit rot-weiß-grünem Mundschutz, wie er von der Knüppelgarde in Umlauf gebracht worden war, aufzustellen. Das ebenfalls gespannte Banner dürfte vielen Menschen aus dem Herzen sprechen: „Denkt an das, was war… und freut euch auf das nächste Jahr”. Foto: jl