Ukraine-Krieg, Gasknappheit, Strommangel, Energiepreisanstieg, gedeckelte Preise, Inflation; irgendwie muss es da doch innerhalb der Rintelner Ratspolitik ein Umdenken geben, was Windenergieanlagen (WEA) auf dem Stadtgebiet angeht. Sollte man zumindest denken. Denn solche Anlagen sollen Deutschland unabhängiger von Energielieferungen aus dem Ausland machen und es gibt bereits Gemeinden, die ordentlich von den Windkraftwerken in Form von Steuereinnahmen profitieren. Das SW fragte nach bei Verwaltung, SPD, CDU, WGS, Grünen, RI und FDP und die Erkenntnis ist - kurz zusammengefasst - immer noch so gut wie die gleiche wie vor Jahren: In Westendorf sollen keine Windenergieanlagen gebaut werden! Einen Vorstoß für die Ausweisung neuer Vorrangflächen wird es nicht geben (Rinteln hat keine Vorrangflächen Windenergie und hat in seiner Gesamtheit einen Privilegierungsstandard für Windkraftanlagen) „WEA können hiernach überall errichtet werden, wo dies rechtlich zulässig ist”, so Dr. Joachim Steinbeck als Stadtjurist dazu.


Von ihm wollten wir wissen, wie der Stand der Verhandlungen im Klageverfahren zu den beiden WEA Westendorf ist? Dr. Steinbeck dazu: „In der Verwaltungsrechtssache Stadt Rinteln ./. Landkreis Schaumburg hatte die Stadt Rinteln bekanntlich einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Nachdem das OVG Lüneburg die Berufungszulassungsanträge der Beigeladenen und des beklagten Landkreises abgelehnt hatte, hat das OVG Lüneburg nunmehr mit Beschluss vom 30.11.2022 die Berufung der Stadt Rinteln gegen das Urteil des VG Hannover zugelassen. Die Stadt Rinteln wird nunmehr über ihren Prozessbevollmächtigten Prof. Gellermann die Berufungsbegründungsschrift erstellen. Auch Heinrich Sasse (WGS) schildert genau diesen Verfahrensstand und betont dabei allerdings: „Das ist schon ein Erfolg. Damit ist offensichtlich, dass die Fortsetzung des Prozesses für die Stadt Rinteln nicht sinn- und/oder erfolglos ist. Der Prozess der Stadt Rinteln wird also fortgesetzt. Der Stadtrat steht hinter dem Prozess!” Dr. Steinbeck anwortet auf die Frage von möglichen Vorrangflächen für WEA auf städtischem Gebiet: „Eine Ausweisung von Vorrangflächen für die Nutzung von Windenergie ist derzeit nicht geplant und erscheint vor dem Hintergrund des neugefassten Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land auch nicht zielführend. Das Gesetz verpflichtet die Bundesländer zur Ausweisung von bestimmten geeigneten Flächengrößen zum Zwecke der Nutzung von Windenergie. Insofern ist zu erwarten, dass auch für die Gemarkung der Stadt Rinteln entsprechende Untersuchungen nach geeigneten Flächen durch das Land oder von Ihr hierzu ermächtigte Behörden erfolgen wird. Im Übrigen gilt im Gebiet der Stadt Rinteln der sogenannte Privilegierungsstandard für WEA.” Hiernach gibt es keine Einschränkung für die Nutzung von WEA im Gebiet der Stadt Rinteln. Die ablehnende Haltung der Stadt hat allerdings auch ihren Preis: „Gerichts-, Prozess- und Anwaltskosten, die im Zusammenhang mit dem Windpark stehen, belaufen sich derzeit auf 35.655,11 Euro”, so Kämmerer Jörg Schmieding; Personalkosten in der Verwaltung nicht mitgerechnet. Nachgefragt bei der Verwaltung, wo man mögliche Flächen für WEA in Rinteln sehe, teilt Dr. Steinbeck mit, dass eine aktuelle Flächenuntersuchung für die Gemarkung Rinteln nicht vorliege. Auch die Rintelner Ratsfraktionen wurden um Stellungnahme gebeten. Die Antworten fielen sehr umfangreich aus und mussten gekürzt werden.

Hat sich die Meinung der Fraktionen zum Thema Windkraft verändert?

Für die SPD teilt Astrid Teigeler-Tegtmeier mit, dass die Energieknappheit die SPD in ihrem Beschluss von März 2011 bestätigt habe und man am Bau von WEA an allen Standorten, an denen es rechtlich möglich sei, festhalte. Veit Rauch von der CDU sieht ebenfalls keinen Sinneswandel und macht verfehlte Energiepolitik des letzten Jahrzehnts für Energieknappheit verantwortlich. Nur mit Windkraft könne man das Problem nicht bewältigen. CO2-neutraler Strom durch Kernkraftwerke seien eine Möglichkeit. Ähnlich sieht das Sven Wilkening von der FDP und auch Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser ist der Ukraine Krieg nur ein Vorwand, um ideologische Energiekonzepte von SPD und Grünen durchzusetzen. Anders die Grünen: „Das 'Wind-an-Land Gesetz' der Bundesregierung verpflichtet die Länder zur Ausweisung entsprechender Flächen für Windkraftanlagen und für Niedersachsen sollen es 2,2 Prozent der Landesfläche sein. Unser Anliegen ist es, das Thema für die Stadt Rinteln in den Fokus zu rücken.”

Welche Fraktion hält am Klageverfahren gegen WEA fest?

Die SPD ist weiter gegen den Standort Westendorf und ist dabei in guter Gesellschaft: „Den konkreten Standort in der Nähe von Westendorf halten wir weiter aus Naturschutzgesichtspunkten für ungeeignet und damit rechtlich nicht zulässig. Dies verstehen wir jedoch nicht als Verhinderung von Windkraft allgemein, sondern nur auf die konkrete Fläche/ Anlage bezogen”, so Astrid Teigeler-Tegtmeier. Auch Veit Rauch für die CDU betont: „Die CDU Rinteln will keine Windkraft verhindern durch ein Klageverfahren. Wir wollen es nur an dieser Stelle verhindern, weil es doch nur falsch sein kann „Monsterwindkrafträder” mit über 250 Höhe an eine Stelle zu stellen, die aus bekannten Gründen ungeeignet ist!” Gleiches gilt auch für Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser von RI: „Die sachlichen Argumente gegen die Windenergieanlagen unter der Schaumburg haben sich nicht geändert”, teilt er mit. Für die Grünen hat sich jedoch in der Denke etwas geändert: „Unsere Fraktion tat sich sehr schwer, das bestehende Klageverfahren gegen die geplanten Anlagen in Westendorf weiterhin zu befürworten.” Und weiter: „Um Arten grundsätzlich und langfristig zu schützen und einen wichtigen Beitrag gegen das immense Artenabsterben zu leisten, ist es wichtig, den Klimaschutz und den Ausbau von Windenergie schnellstmöglich voranzubringen, anstatt kleinteiligen Individuumsschutz zu betreiben. Deshalb werden wir zukünftige Klageverfahren ablehnen.”

Wo sehen die Fraktionen Potentiale für die Errichtung von WEA?

SPD: „Durch die Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen und technischen Möglichkeiten der Abschaltung der Anlagen sind sicherlich Standorte möglich, die vor Jahrzehnten noch aus verschiedenen Gründen (Landschaftsschutz, Vogelzug) als ausgeschlossen galten!”
CDU: „Wenn wir über Potentiale für ein WEA oder auch über eine Vorrangfläche für mehrere WEA sprechen, dann hat sich auch da nichts an unserer Meinung geändert. Windenergieanlagen gehören dahin, wo es die größte Windhöffigkeit gibt. Und das ist nun mal an der höchsten Stelle im Landkreis der in unserem Stadtgebiet liegt, in Goldbeck.”
RI: „In den Höhenlagen um Goldbeck!”
Grüne: „Goldbeck, Klein Goldbeck, Ellerburg, aber auch der Kamm des Wesergebirges. Es müssen ebenfalls Waldflächen berücksichtigt werden, die günstige Windverhältnisse vorweisen!”

Wird es einen Vorstoß der Fraktionen für die Ausweisung von Vorrangflächen geben?

Für die SPD kein Thema, denn Vorrangflächen schränken den bisherigen Status eher ein und man würde Jahre für Planungsverfahren verlieren. „Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Rinteln wird aber am Thema erneuerbare Energien und Energieunabhängigkeit dranbleiben und hierzu auch konkrete Initiativen starten”, so Astrid Teigeler-Tegtmeier, gleiches gilt auch für Veit Rauch von der CDU. Für die Grünen antwortet Uta Fahrenkamp: „Je nachdem wie es die künftige Gesetzgebung des Nds. Umweltministeriums vorgibt, werden entweder der Landkreis oder die Kommunen selbst Potentialflächen ermitteln. Sobald die Zuständigkeiten rechtlich geregelt sind können wir tätig werden!” Ein klares „Nein” auch von Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser von RI: „Rinteln ist aufgrund seiner topologischen Lage hier sehr begrenzt; es ergeben sich aber mehr potentielle Flächen, wenn bundesgesetzlich die Abstandsvorgaben angepasst werden. Auf jeder zulässigen Fläche kann eine WEA errichtet werden; das ist sehr viel mehr, als andere Kommunen zugelassen haben!” Auch Heinrich Sasse von der WGS sieht keinen Handlungsbedarf für die Ausweisung von Vorranggebieten: „Die WGS weist darauf hin, dass der Bau von Windrädern auf allen anderen Grundstücken, die nicht in den Vorranggebieten liegen, in der Regel unzulässig ist. Zurzeit hat Rinteln keine Windvorranggebiete: Deshalb ist in Rinteln der Bau von Windrädern heute zulässig an jedem Standort, wo die genehmigungsrechtlichen Erfordernisse erfüllt werden. Diese für Windräder grundsätzlich positive Situation sollte aus Sicht der WGS nicht geändert werden. Die WGS will keine Windräder verhindern. Wo Windräder hinpassen, da sollen sie auch hin!”