BAD NENNDORF. Geboten wurde vom Landestheater Dinkelsbühl eine Komödie, Verlockend auch dadurch, dass ihre Autorin die weltweit bekannte Yasmina Reza ist. Aber welche Stirn, dieses Stück eine „Komödie” zu nennen! Allein schon die Texte in der Programmbeilage bekunden Finsteres über die Grundbefindlichkeit des Menschen.
Ob Sein oder Nichtsein, das ist überhaupt keine Frage, nicht mal eine Frage wert. Geworfen sind wir, zufällig hineingestellt zwischen zwei „Augenblicke der Gleichgültigkeit” in eine wankende Welt. Nun, die Deutung unseres Daseins ist nicht neu. Sartre und Büchner belegen das glaubhaft. Nur wurde bei ihnen daraus keine Komödie.
Anders bei Yasmina Reza. Aus allem kitzelt sie noch eine Humoreske heraus. Ist es doch wahrhaftig nicht zum Lachen, dass der Astro-Physiker Henri um seine Karriere bangen muss. Er tritt einfach zu kurz, verzehrt sich im familiären Gerangel um die berufliche Fortbildung seiner Frau und die Erziehung eines sechsjährigen Schreihalses und muss noch im Verlauf dieser Zerreißprobe den coolen Souverän spielen, als der ihm übergeordnete Kollege auf der Bildfläche erscheint und rigide die Defizite aufdeckt, die den guten Henri in die Bredouille bringen.
Malheur, nichts als Malheur! Und da fungiert nun mit Brillanz die gute Yasmina Reza. Banalster Smalltalk verdichtet gebracht, wird plötzlich zum Gegenstand krachender Lachsalven, wenn Ines, die kinderlose Ehefrau des übergeordneten Hubert, ihre spinnerten Ratschläge Sonja, der verzweifelten Mutter des Sechsjährigen, unterjubelt. Herrlich diese Maike Frank, wie sie im Schatten ihres fest im Sattel sitzenden Ehemannes ihre Spitzen durch das Negligee unter die zarte Haut einer Frau treibt, die ohnehin schon seelisch ziemlich ramponiert ist. Janina Kutschan als Sonja schlägt sich da wacker, um nicht vollends zu kippen. Was Hubert von der Figur her liefert, nämlich üppig ausgelegt, entspricht den süffisanten Reden, die sich wie ein Sahnehäubchen auf diese sein äußeres Erscheinungsbild legen.
Mit seinem Namen schon macht er der Figur alle Ehre: Knut Fleischmann. Ach ja, und dann ist da noch der arme Henri, Alexander Hanfland muss ihn abliefern, ein wahrhaft geworfenes Wesen, das er sehr wohl zu vermitteln vermag, nicht ohne Momente, da er am Horizont denn doch ein Lichtlein aufblinken sieht. Dann aber noch dieses: Drei Mal Leben! Warum eigentlich dieser Titel? Im Programm heißt es: „Bei gleicher Ausgangslage können drei völlig verschiedene Entwürfe des gleichen Abends entstehen.” Können, aber sie können es nicht! Die Kräfteverhältnisse verschieben sich lediglich ein wenig, im Grunde aber bleibt alles, wie es nun mal ist; wohl ernüchternd, aber eben der Realität entsprechend. Dass die „Komödie” trotzdem ankam, bekundete das Publikum mit lebhaftem Beifall, dies auf jeden Fall auch für die einfühlsame Regie, wieder einmal in den Händen einer Frau, von Iris Spaeing. Oskar Wedel