Wie in Lüdersfeld: Dort steht auf dem Hof der Familie Wilkening seit kurzem eine Dreschmaschine. Im Miniaturformat hat Willi Wilkening ein kleines Stückchen Dorfgeschichte in Sandstein gehauen.
Noch bis in die 1950er Jahre hinein verdienten Wilkenings Vorfahren mit der Lohndrescherei ihr Geld. Damals hatten die Straßen in Lüdersfeld noch keine Namen, sondern Nummern. Diese seien auf den ersten Blick recht willkürlich erschienen, so Wilkening. Doch je kleiner die Hausnummer war, umso größer der Hof. Da zum Haus aber kein Land gehörte, hätte die Lohndrescherei eine hohe Hausnummer bekommen müssen. Durch Zufall sei die Nummer 67 freigeworden, die Wilkenings Vorfahren bekamen. Die Lohndrescherei aber war ab 1890 ein Ort an dem immer etwas los war, erinnert sich Wilkening, der das Ende des Gewerbes Ende der 1950er Jahre miterlebt hat. Vor dem tief greifenden Wandel in der Landwirtschaft mussten zum Dreschen des Getreides zwischen acht und zwölf Helfer anpacken. Die Gaben mussten vom Hänger auf die Maschine gehoben werden. Ein Helfer hatte ein Messer dabei, mit dem er die haltenden Fäden zerschnitt. Der nächste warf das Getreide in den Einleger. Hinten kamen gepresste Strohballen heraus, die aufgepiekt und auf einen Hänger geworfen wurden. Darauf stand ein Helfer, der die Ballen sorgfältig packte. „Richtig kräftige Kerle brauchte man für das Schleppen des Korns,” so Wilkening. Zwei Dreschmaschninen gab es. Die Bauern aus Lüdersfeld, Vornhagen und Probsthagen liehen sich eine der großen Maschinen aus. Die zweite stand im Dreschschuppen der Wilkenings. Mit dem Start der Erntezeit bis in den Januar hinein begann das Leben früh morgens. Viele Menschen auf dem Dorf hatten ein Landwirtschaft im Nebenerwerb. „Manch einer kam schon zum Dreschen, bevor er zu seiner eigentlichen Arbeit ging,” so Wilkening. Ein Fuder lief in rund einer halbe Stunde durch. Anmelden war Pflicht, denn in der Saison arbeitete die Maschine bis in die Nacht. Die Nachbarn rund um das Haus am heutigen Hülsebrink mussten mit den Lärm der Dreschmaschine und jeder Menge Staub leben. Das Kaff, also die Spreu, blieb am Ende übrig. Nicht alle Landwirte hatten Zeit, die Reste sofort abzutransportieren. Doch auf dem Dorf sind die Menschen für Gemeinsinn und praktische Lösungen bekannt. Die Reste wurden auf einen großen Haufen gekippt. „Zum Ende der Dreschsaison war der Kaffberg schon mal so hoch, wie der First des Hauses,” so Wilkening. Wenn die Arbeit auf den Feldern und in den Höfen erledigt war, kamen die Bauern zurück und holten das Kaff ab. Es kam auf die Wiesen und ergab mit Jauche darüber einen guten Dünger für den Boden.
Wenn im Januar die letzten Fuder gedroschen waren, kehrte ein wenig Ruhe in der Nummer 67 ein. Arbeit gab es dennoch genug. Die Maschinen mussten gewartet werden. Wohl die wichtigsten Arbeiten des Jahres. Denn liefen die Lager nicht rund oder fehlten Kleinteile, fehlte der Familie ihre Lebensgrundlage. Daher sei im Winter ein Mann aus Hannover gekommen, erinnert sich Wilkening. „Muselok”, auf Hochdeutsch „Mauseloch”, sei sein Spitzname gewesen. Er blieb rund eine Woche, um zu reparieren oder gar neue Ersatzteile herzustellen. Das alte Haus, in dem die Familie gelebt hat, ist noch immer da. Aus der ehemals 15 Meter langen Dreschscheune sind Garagen geworden. Dort wo sich die Fuhrwerke auf dem Hof begegneten, steht jetzt ein Haus. Geblieben sind die Erinnerung, Bilder und eine Miniaturausgabe der Dreschmaschine in Sandstein. Wenn man genau hinschaut, auf seinem Gang durch die Gemeinde.Foto: ih