Anstecknadeln mit kleinen, leuchtend gelben Blumen bekommt jeder Gast am Eingang angeboten. Schon damit wird klar, in welche Zeit das Musical sein Publikum entführen will: Flower Power ist angesagt, die 1970er Jahre sollen wieder auferstehen. So ist auch die Musik ausgelegt – einiges von dem, was Chor und Solisten singen, erinnert an ‚Hair’. Und die Kostüme dazu ohnehin: Blumenkränze im Haar, Schlaghosen und abenteuerlich bunte Strickwesten, Peace-Zeichen vor der Brust – an vielen Stellen blitzt aber auch ein Kreuz auf. Zwei Elemente zu einem machen, die Hippie-Zeit mit dem Leben Jesu zu verbinden, ist der Ansatz von ‚Godspell’. Was Jesus getan hat, welche Gleichnisse er erzählt hat, wie er sich taufen ließ, Jünger um sich versammelte, am Kreuz endete und auferstand: wichtige Stationen aus seinem Leben spielt – oder vielmehr lebt – eine Hippie-Gruppe im New Yorker Central Park. Die Geschichte ist bekannt, zu ihr muss nicht viel gesagt werden. Dass sie kein alter Hut ist, nicht vor 2000 Jahren vergangen, sondern auch heute noch eine aktuelle Bedeutung hat, ist die Kernaussage des Musicals, auch wenn das ‚Heute’ nun schon wieder 40 Jahre zurückliegt. Die Gruppe, die sich aufgemacht hat, dies darzustellen – mehr als 40 Rehburg-Loccumer und solche aus der Umgebung –, kommt zu weiten Teilen aus den Gospelprojekten, die Loccums Stiftskantor Michael Merkel bereits initiierte. Doch wenn viele der Darsteller auch schon Erfahrung mit öffentlichem Gesang haben, so ist diese Kombination aus Schauspiel und Musik für die meisten doch noch eine neue Erfahrung. Mit umso mehr Enthusiasmus haben sie sich an die Arbeit gemacht – und ein erstaunliches Ergebnis abgeliefert. Kaum einer aus der Masse des Chores, der nicht irgendwann vorne am Bühnenrand steht, eine Sprechrolle, einen Tanzpart oder gar einen Solo-Gesang mit Leben füllt. Fetzige Stücke sind bei letzterem dabei, rockig kommt manches daher. Dann wieder stimmt der Chor in einen Gesang ein, der Gospel-Elemente enthält. Es wird auf der Bühne aber auch gerappt, was das Zeug hält. Den Blues kann bekommen, wer den balladen-ähnlichen Stücken lauscht. Manche erstaunliche Stimme tritt da plötzlich zutage. Einige schmachtend, andere frech und dann ist da der Auftritt von dieser Frau, die sich mit Federboa, Körperbetonung und rauchiger Stimme durch die Publikumsreihen singt. Ein bisschen Janis Joplin ist schon dabei. Da müssen sich die Laien-Darsteller nicht hinter dem einzigen Profi im Ensemble – Maurice Schneider, der den Jesus mimt – verstecken. Stimmungsvoll ist unterdessen auch der Ort des Geschehens. Den Central Park hat das Ensemble nämlich auf einem alten Klostergut entstehen lassen. Irgendwo weitab von allem liegt das Gut Kreuzhorst, im Niemandsland zwischen Loccum und Wiedensahl und nur dank guter Ausschilderung haben viele der Gäste dorthin gefunden. Die alte Scheune des Gutes, in der die Klappstühle aufgebaut waren, verknüpfte noch einmal mehr das Einst und das Jetzt mit der unendlichen und, wie es den Anschein hatte, immer wieder auferstehenden Geschichte. Zum Ende, zum Abgesang, gab es donnernden Applaus für das, was das Publikum in dieser Scheune über mehr als zwei Stunden erlebt hatte.Foto: jan