„Nach der Wende kamen völlig neue Ängste auf mich zu. Ich hatte Existenzangst, das war ein Schock für mich”, berichtet Erpenbeck. Ähnlich beschreibt sie die Lebensgeschichten der afrikanischen Flüchtlinge vom Oranienburgerplatz. Vom Arbeiten ohne wirklich Lohn zu bekommen. Von der Flucht aus der Heimat und vom Schicksal in Deutschland wieder abgeschoben zu werden. Richard nimmt sich einzelnen Schicksalen an. Kauft sogar Ackerland in Ghana. Und resümiert stets über sein eigenes Leben. Seine Frau hat er verloren, die Geliebte auch – sie hat ihn sogar betrogen. Die Art und Weise, wie es zum Betrug kam, hat der Professor seitenlang niedergeschrieben. Nach seiner Emeritierung weiß er plötzlich nicht mehr wozu sein Leben dient. Er hat Zeit. Doch der Kopf arbeitet unermüdlich weiter. Es ist eine merkwürdige Art des Wartens für ihn. Denn worauf wartet er noch? Den Flüchtlingen ergeht es ähnlich. Täglich warten sie. Darauf Arbeiten zu dürfen. Oder im schlimmsten Fall wieder abgeschoben zu werden. „Man muss Armut als eine Art Gewalt ansehen”, sagt Erpenbeck. Armut dürfe man gegenüber Kriegsflüchtlingen nicht herunterspielen. Geschichten, die Richard von seinen neuen Freunden hört, hat Erpenbeck teils selbst so von den Flüchtlingen erfahren. Im Roman hat sie diese komprimiert dargestellt und mit Richard verknüpft. Mit „Gehen, ging, gegangen” steht Jenny Erpenbeck auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Angesichts der Flüchtlingsdebatte sagte Moderator des Abends Knut Elstermann: „Die Jury wird sicherlich nicht das tun, was alle erwarten.” Trotzdem: Der Roman ist durch die Thematik brandaktuell und regt beim verregneten Winternachmittag sicherlich den einen oder anderen Gedanken zu mehr Menschlichkeit an. Foto: wa