Schulden über Schulden - was geht überhaupt noch? | Schaumburger Wochenblatt

Schulden über Schulden - was geht überhaupt noch?

Ratsvorsitzender der Samtgemeinde Nenndorf: Uwe Engelking, WGN. (Foto: privat)
Ratsvorsitzender der Samtgemeinde Nenndorf: Uwe Engelking, WGN. (Foto: privat)
Ratsvorsitzender der Samtgemeinde Nenndorf: Uwe Engelking, WGN. (Foto: privat)
Ratsvorsitzender der Samtgemeinde Nenndorf: Uwe Engelking, WGN. (Foto: privat)
Ratsvorsitzender der Samtgemeinde Nenndorf: Uwe Engelking, WGN. (Foto: privat)

Fabian Heine (CDU) macht die politische Arbeit auch angesichts der schwierigen finanziellen Lage des Haushalts der Samtgemeinde Spaß. „Definitiv“, sagt er. Auch andere Mitglieder des Samtgemeinderates Nenndorf denken so, wie zum Beispiel der Ratsvorsitzende Uwe Engelking (WGN) und Ingo Knieper (SPD). Knieper betont: „Man lässt sich nicht nach Kassenlage wählen, sondern um etwas zu gestalten. Und das müssen wir weiterhin. Wir haben einen Wählerauftrag, den wir umsetzen wollen. Mit einem Topp-Haushalt würde es sicherlich mehr Spaß machen.“ Befragt nach der aktuellen finanziellen Situation innerhalb der Samtgemeinde, stimmen sie auch in weiteren Punkten grundsätzlich überein.

„Zurzeit wird vieles umgesetzt, was wir in den letzten Jahren vor Ort angeschoben haben. Der Schuldenstand wird daher auch aufgrund des ein oder anderen Großprojektes, mit Blick auf die Zinsentwicklung, in den kommenden Jahren ansteigen“, prognostiziert Heine. Die Ursache dafür liege vor allem darin, dass viele neue Aufgaben und Ansprüche auf die Kommunen verlagert wurden, ohne sie ausreichend mit finanziellen Mitteln auszustatten, sagt auch Uwe Engelking. Die Kindergärtenfinanzierung bezeichnet er direkt als Schuldenfalle. Hinzu kämen Ausgaben für Feuerwehr, Schulen und anderes mehr. Engelking: „Vier Millionen Euro müssen wir allein für die Kinderbetreuung ausgeben. Was grundsätzlich gut ist. Nur dass das immer die Kommune bezahlen muss, ist nicht gut und nicht richtig.“ Heine: „Für den Ganztagsumbau der Schulen bekommen wir lediglich ein paar Hunderttausend Euro. Dem gegenüber stehen Investitionen in Millionenhöhe. Das Defizit tragen wir.“ Ohne diese rasant ansteigenden Aufgaben und Kosten hätte die Samtgemeinde eine ziemlich solide Finanzlage, schildert er.

Knieper betont: „Wir müssen die Pflichtaufgaben machen. Daher auch in die neue Berlin Schule 25 bis 30 Millionen Euro investieren, da die alte nicht mehr tragfähig ist. Wir müssen einige Aufgaben machen, egal woher das Geld kommt.“ „Die Schülerinnen und Schüler sind unsere Zukunft, in die wir investieren müssen“, betont auch Engelking. Dabei schrumpfen derzeit die Handlungsspielräume. Die finanzielle Schieflage sei nicht durch unkluge Entscheidungen der örtlichen Kommunalpolitiker entstanden. „Wir müssen uns überlegen, was die die dringendsten Dinge sind, und in welcher zeitlichen Abfolge wir dies durchführen können“, so Heine weiter.

Engelking schaut auch auf die Bereiche der Freiwilligen Ausgaben, die die Samtgemeinde betreffen. Besonders auf die, die für die Vereine notwendig sind. „Die Samtgemeinde zahlt alles, was den Sport betrifft, und somit beispielsweise auch die Hallenreinigung. Was auch richtig ist, angesichts der vielen Menschen, die sich ehrenamtlich in den Vereinen engagieren. Sie sind der Kitt der Gesellschaft. Daher müssen sie unterstützend finanziert werden. Wenn wir das nicht machen, begeben wir uns auf einen ganz gefährlichen Weg.“

Die Parteien und somit die gewählten Vertreter im Samtgemeinderat, sind in all diesen Fragen immer stärker zusammengerückt. Engelking: „Wir sind in der Kommune und möchten, dass der Laden läuft, die Infrastruktur erhalten wird. Ich glaube nicht, dass es hierbei große Unterschiede unter den Ratsmitgliedern gibt. Richtige Streitthemen, die es früher gab, gibt es aufgrund der Finanzsituation nicht mehr.“

Ohne Steuererhöhungen wird die Finanzierung in Zukunft wahrscheinlich nicht möglich sein. „Es wird sicherlich darauf hinauslaufen. Aber wir sollten erst einmal sehen, welche Auswirkungen die neue Grundsteuerregelung bringt“, meint Engelking. „Wenn die Kreisumlage steigt, werden auch die Steuern vor Ort erhöht werden müssen. Über Steuererhöhungen muss gesprochen werden. Dass verändert aber nicht die Ursachen der finanziellen Belastungen, an denen unbedingt etwas verändert werden muss“, fordert Heine. Engelking erinnert daran, dass die Wählergemeinschaft schon vor längerer Zeit den Vorschlag eingebracht habe, „eine Infrastrukturabgabe pro Quadratmeter verkauftes Land einzuziehen, um damit Investitionen zu unterstützen. Leider ist man darauf nicht eingegangen“. Auch der Blick auf interkommunale Zusammenarbeit, etwa im Bereich des Baubetriebshofes oder der Jugendarbeit, müsse letztlich nicht nur aus finanzieller Sicht geschärft werden, räumen alle Drei ein.

Der Kommentar von Axel Bergmann:

Stehen die Kommunen vor dem Brankrott?

Droht Deutschlands Städten und Gemeinden ein britisches Szenario?

Aktuelle Nachrichten aus dem benachbarten Großbritannien sollten auch bei uns die Politiker aufhorchen lassen. Wie zu hören und zu lesen ist, stehen viele Kommunen auf der Insel vor dem finanziellen Bankrott. Hört man sich in den heimischen Städten und Gemeinden um, dann konnte vielerorts nur durch einen beherzten Griff auf vorhandene Rücklagen die Handlungsfähigkeit erhalten werden. Kommunalpolitiker beklagen, dass die Gemeinden nicht ausreichend mit Geld durch Bund und Land versorgt werden. Am Beispiel der Diskussion um die Kindergarten-Finanzierung erkennt man auch im Landkreis Schaumburg das Dilemma. Der Landkreis hat die Zuschüsse erhöht, reichen tut es trotzdem vorn und hinten nicht. In Großbritannien sind mittlerweile viele kommunale Einrichtungen geschlossen worden und eigentliche Selbstverständlichkeiten, wie Straßenbeleuchtung, Büchereien und sogar die regelmäßige Müllabfuhr sind vereinzelt gekürzt, gestrichen und geschlossen. Freiwillige Leistungen in unseren Städten und Gemeinden streichen? Keine gute Idee, schließlich sind sie das Salz in der Suppe und wiedergewählt werden möchte man ja auch. Erhöhung von Steuern und Gebühren? Ortspolitiker sprechen von Pfennigbeträgen, wenn etwa die Hundesteuer erhöht oder das Parken teurer werden. Verkauf von „Tafelsilber”? Verkaufen kann man alles nur einmal, wenn man überhaupt etwas anzubieten hat. Höhere Zuschüsse von Bund und Land? Ich glaube, das ist nur ein Verschiebebahnhof. Die Schulden des Bundes türmen sich aufgrund Corona-Hilfen, Ukraine-Krieg etc. so hoch, dass mindestens eine Generation nach uns allein für die Zinsen aufkommen muss. In zwei Jahren ist das 100-Milliarden-Paket für die Verteidigung ausgegeben, dann werden neue Milliarden erforderlich. Wirtschaftswissenschaftler behaupten jedoch, es seien genügend Einnahmen vorhanden, sie müssten nur anders ausgegeben werden. Apropos Einnahmen – die Idee, Kommunen an der grünen Stromproduktion durch Windräder und Freiland-PV-Anlagen innerhalb ihrer Gemeindegrenzen direkt zu beteiligen, könnte ein Gamechanger werden. Es flössen fünfstellige Summen in den kommunalen Haushalt und der dringend notwendigen Energiewende würde zusätzlicher Schub gegeben werden. So könnte auch das lahmende „Leuchtturm-Projekt“ PV-Anlage auf dem Georgschacht in ganz neuem Licht betrachtet werden.


Winfried Gburek
Winfried Gburek

Freier Redakteur Schaumburger Wochenblatt

north