Charlotte also und Dylan: Sie eine keifige, über die Maßen aufgetakelte Neureiche, betrübt über die Blindheit ihres Mannes, der auch nach genauem Hinsehen nicht erfasst, „dass ich mir den Hintern habe absaugen lassen”. Die auf hiesiger Bühne nicht ganz unbekannte Michaela Allendorf gickelt und gackelt ihr Umfeld doof und dämlich; um bei aller Gackelei dann aber doch zum Wackeln und ins Sinnieren zu kommen, wenn erst die Perücke abgesetzt ist und der Alltag sie wieder eingeholt hat – toll, diese Michaela Allendorf. Dylans belegte Stimme, die ihm Andreas Torwesten leiht, zeigt allein schon damit an, wie öde doch alles ist, die Liebe für ihn lediglich wie ein „Ventilator ist, der mal heiße, mal kalte Luft in deine Richtung bläst und mal überhaupt keine”. Und dann die beiden geschiedenen Leute, die aber doch nicht von einander lassen können: Emilia und Felix. Lena Stamm spielt Emilia, zunächst abrupt und wild entschlossen, nichts mehr mit Felix zu tun haben zu wollen, dann aber verschwebend in Sphären, in denen sie doch meint, Vergangenes wieder einfangen zu können. Lena Stamm meistert diesen Spagat. Patrick Heppt versteht es, als gescheiterter Ehemann nun umso betonter den aufgeplusterten Kraftmeier zu demonstrieren.
Es bleiben Anette und Boris, die ach so Verliebten. Auch ihnen bleibt es nicht erspart, sich anzugiften, aber auch zu erkennen, in welchen Schwachsinn sie verwoben sind. Hier brilliert Katharina Wilberg als naive und zugleich als so distanzierte und geradezu angewiderte Teilnehmerin einer Begegnung von Menschen, die alle samt einen Sprung in der Schüssel zu haben scheinen So wunderbar sie auch ihr Lachen zur Schau bringen kann, diese wunderbare Katharina Wilberg, so rasch erstickt es im morbiden Ambiente, auf das auch sie sich nun einmal eingelassen hat. Und Boris, ihr Geliebter, dackelt brav hinterher. Martin Konrad Becker bleibt nichts anderes übrig, als im Schatten seiner Partnerin zu verbleiben, in dieser Position er sich dann aber auch wacker behauptet. Was gibt dem Spiel seinen Schwung? Natürlich vor allem die Darsteller, zuvor aber Doris Dörrie, die die Dekadenz mit so viel Brechungen zu skizzieren weiß, das ein gut gefülltes Haus nicht mit Applaus sparte, und dies für eine Inszenierung, die das „Theater für Niedersachsen” wieder einmal einer Frau übertragen hatte: Petra Wüllenweber.
Glückwunsch!
Oskar Wedel
Foto: privat