Kompetent sind sie beide. Doris Neuhäuser ist im Dienst der Stadtverwaltung und leitet das Rintelner Amt für Ordnung, Sicherheit und Bürgerdienste. Andrea Lange ist beim Landkreis Schaumburg die Leiterin des Bauordnungsamtes. Das SW wollte von beiden Frauen wissen, wie sie zu den brennenden Themen der Stadt stehen und welche Lösungsansätze sie zu bieten haben. Brückentorkomplex SW: Wie bewerten Sie die politische Entscheidung gegen den Investor, der den Komplex sanieren, Wohnungen bauen und der Stadt einen Saal vermieten wollte. Welche Maßnahmen wollen sie treffen, um diesen Standort wieder attraktiv zu machen und mit geschäftlichem Leben zu füllen. Doris Neuhäuser: Die seinerzeitige maximale Ausnutzung des Grundstücks in Bezug auf die geplante Gebäudehöhe und die unangemessen hohe Einnahmeerwartung des Investors für die Vermietung des Saals an die Stadt waren tragende Gründe, das Projekt nicht weiter zu verfolgen. Um diesen prädestinierten Standort neu aufleben zu lassen, werde ich die Gespräche mit den anderen Eigentümern, potentiellen Investoren und den gewählten Stadtratsmitgliedern transparent vorantreiben und die Bürger*innen in diesen Diskussions- und Entscheidungsprozess einbeziehen. Mein Ziel ist eine Wiederbelebung des Gesamtkomplexes einschließlich des Saales und eine Öffnung zur Weser hin. Städtischer Saal SW: Welche Möglichkeiten sehen sie für einen städtischen Veranstaltungssaal? Braucht Rinteln überhaupt noch einen solchen Saal? Wo präferieren sie einen Standort und wie wollen Sie den Saal dann finanzieren? Doris Neuhäuser: Ein städtischer Veranstaltungssaal ist mit dem Brückentorsaal vorhanden. Rinteln braucht auch unbedingt einen eigenen Veranstaltungssaal, um nicht im kultur- und eventlosen Nirvana unterzugehen. Die Aula des Ernestinums darf z.B. für Rockkonzerte, Oktoberfeste, Mallorcapartys u.ä. Veranstaltungen nicht genutzt werden. Eine zügige Wiedernutzbarmachung des Brückentorsaales unter absoluter Einhaltung des Brandschutzes und der bautechnischen Sicherheit steht daher für mich im Vordergrund. Das ist bei der Kampa-Halle in Minden möglich und das wird auch hier gehen. Dies ist allemal kostengünstiger, als ein Neubau es wäre. Zudem ist die Lage des Brückentorsaales wunderbar, ein ebenso gut geeigneter Standort ist nicht ersichtlich. Ein Neubau käme für mich daher erst dann in Frage, wenn alle Möglichkeiten, den Brückentorsaal wieder zu nutzen, zwingend verworfen werden müssen. Windkraftanlagen SW: Rinteln hat sich bislang politisch erfolgreich gegen die Installation von Windkraftanlagen gewehrt. Wie ist ihre Haltung dazu (Standort Westendorf) und welche Standorte halten Sie im Stadtgebiet Rinteln für richtig (es gibt ja kein Vorranggebiet), um Windkraftanlage zu installieren. Ohne Windkraft ist eine Energiewende nicht möglich, sagen Experten. Doris Neuhäuser: Ich habe den Vorgang für Rinteln bearbeitet und meine rechtliche Bearbeitung ist Grundlage des Verfahrensstandes, den wir nun haben. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mich ergänzend dazu aus dienstlichen Gründen nicht äußern kann. Persönlich halte ich einen Standort in Westendorf aus Gründen des Denkmal- und des Artenschutzes für ausgeschlossen. Im Stadtgebiet halte ich nur Standorte für geeignet, die den rechtlichen Voraussetzungen - und das sind auch die Abstände zu Wohnbebauung und Denkmalen - uneingeschränkt entsprechen. Windenergieanlagen sind auch meines Erachtens ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und der Energiewende, aber es ist kein Geheimnis, dass es optimalere Standorte mit einer wesentlich höheren Windausbeute als das „Rintelner Becken” in unserem Wesertal dafür gibt. Wandel in der Innenstadt SW: Die Innenstädte sind im Wandel. Einzelhandel verschwindet mehr und mehr aus den Innenstädten, Menschen kaufen online ein. Wie sehen sie die Zukunft der Rintelner Innenstadt. Welche Visionen und Impulse gibt es unter ihnen aus dem Rathaus? Doris Neuhäuser: Die Rintelner Innenstadt soll zukünftig eine lebendige Mischung aus inhabergeführten Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben, ergänzt durch eine abwechslungsreiche Gastronomie sowie neue Erwerbs- und Gewerbeformen und getragen von zahlreichen Veranstaltungen sowie von Wohnen und Kunst und Kultur sein. Die Ortsteile mit ihren besonderen Angeboten z.B. im kulinarischen und handwerklichen Bereich sowie die Schulen und die örtliche Kunst- und Kulturszene sollen verbesserte Ausdrucksmöglichkeiten erhalten. Als Idee verfolge ich z.B. einen Weihnachtsumzug Anfang November zur Einstimmung auf eine besinnliche und leuchtende Weihnachtszeit, einen „Speakers‘ Corner” im Blumenwall oder am Weseranger für z.B. Poetry-Slam-Veranstaltungen oder Debattierwettbewerbe im Freien, eine attraktive Nutzung der „Schnittger-Pavillons” mit einer ansprechenden Freiraumgestaltung der Freifläche vor der Universität mit Sitzgelegenheiten, ggf. einem Springbrunnen und Spielgeräten u.ä. . Bei allen Planungen werde ich die Bürger*innen Rintelns beteiligen. Neubaugebiete oder Lückenschlüsse SW: Bei der Ausweisung von Neubaugebieten kommt immer wieder auch der Einwand von Flächenversiegelung und einer besseren Alternative, nämlich des Lückenschlusses im vorhandenen Stadtgebiet. Wie ist ihre künftige strategische Ausrichtung in dieser Frage? Doris Neuhäuser: Ich verfolge beide Ziele: Die Baulücken sollen möglichst bebaut werden, dafür ist ein Baulückenkataster unbedingt erforderlich. Zusätzlich möchte ich aber auch für Bauwillige Bauland zur Verfügung stellen, damit wir auch diese Wohnwünsche erfüllen können. Wer zu uns kommen und in Rinteln wohnen oder bei uns bleiben möchte, soll eine Möglichkeit dazu finden, die ihm und seinen Wohnwünschen und -bedürfnissen entspricht. Sonst gehen insbesondere Familien woanders hin. Das möchte ich verhindern, zumal die Abwanderung im Ergebnis den Flächenverbrauch nicht vermindert, sondern nur verlagert, denn dieser findet dann in den Nachbargemeinden statt. Finanzlage der Stadt SW: Rinteln hat etwa 18 Millionen Euro Schulden und noch ein ordentliches Paket an Maßnahmen wie Straßensanierung, Stadthallenbau und andere Posten vor der Brust. Wie sehen sie die künftige Finanzentwicklung der Stadt und welche Maßnahmen sehen sie zur Finanzsanierung der Stadt? Welche Projekte haben bei Ihnen Priorität, welche kann man schieben? Doris Neuhäuser: Der Haushalt der Stadt Rinteln ist bislang solide, das soll auch so bleiben. Nur scheinbar ist es günstiger, Aufträge an Fremdfirmen zu vergeben, statt sie als Verwaltung selbst zu erfüllen. Hier bietet sich Einsparpotential, ebenso wie bei der interkommunalen Zusammenarbeit. Zusätzlich sind systematischer als bisher Fördermittel der EU, von Bund und Land in allen in Betracht kommenden Fällen zu beantragen, wie etwa jetzt für Luftfilteranlagen in Schulen. Priorität haben für mich all diejenigen Projekte, die unmittelbar den Bürgerinnen und Bürgern zu Gute kommen oder die Wirtschaftsförderung und damit Einnahmeerhöhung bedeuten. Konkret: Hallenbadsanierung geht vor dem Umbau des Kollegienplatzes, Gewerbeansiedlung vor Altem Hafen. SW: Bitte schildern sie, was sie an ihrer jeweiligen Konkurrentin schätzen und warum sie dennoch der Meinung sind, dass sie die bessere Bürgermeisterin für Rinteln sein werden. Doris Neuhäuser: An Frau Lange schätze ich, dass sie nach ihrer Ausbildung zur Bauzeichnerin sich noch zur Bauingenieurin beim Landkreis Schaumburg weitergebildet hat. Dies ist aber auch zugleich der Grund, warum ich im Falle meiner Wahl die bessere Bürgermeisterin für Rinteln sein werde: Um die Aufgaben der Bürgermeisterin nach § 85 des Kommunalverfassungsgesetzes - die Verwaltung zu leiten und zu beaufsichtigen, in Geschäften der laufenden Verwaltung selbst zu entscheiden und die Entscheidungen der politischen Gremien vorzubereiten und auszuführen - optimal zu erfüllen, sind umfassende Verwaltungsrechtskenntnisse unabdingbar. Diese habe ich als einzige Bewerberin mit dem Abschluss meiner verwaltungsspezifischen Studiengänge erworben. Als Diplom-Kauffrau (FH) bin ich darüber hinaus mit den wirtschaftlichen Aspekten vertraut. Ich verfüge damit - im Gegensatz zu Frau Lange - über die rechtliche Kompetenz für die gesamte Kommunalverwaltung, verfüge über eine umfassende Verwaltungserfahrung, habe den Mut, Entscheidungen zu treffen und zu vertreten, bin innovativ und vor allen Dingen verfüge ich über eine große Begeisterung für die Möglichkeiten unserer Lieblingsstadt. Bodenabbau am Hainekamp SW: Wie stehen sie zum aktuellen Thema des Kiesabbaus aus Naturschutzgründen am Hainekamp? Doris Neuhäuser: Einem Bodenabbau am Hainekamp kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts abgewinnen, da mir auch nur unvollständige Informationen vorliegen. Mir erschließen sich daher Sinn und Zweck der angeblichen Naturschutzmaßnahme (noch) nicht; ich bin bis jetzt davon ausgegangen, dass sich dort im unangetasteten Weserbogen intakte Natur befindet. Vorab kann ich sagen, dass ich keine Maßnahmen unterstützen werde, welche die Lebensqualität für Rintelner*innen durch ggf. Abbaulärm, Transportlärm oder Vernichtung von Naherholungsflächen verschlechtern. Zudem möchte ich auch für die Landwirtschaft Flächen erhalten. SW: Frau Neuhäuser: Wie stellen sie sich Kritikern entgegen, die ihren Mann, Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser, im Falle ihrer Wahl als sogenannten „Schattenbürgermeister” sehen? Sehen Sie sich in der Lage, dem psychischen Druck im Rat - insbesondere aus dem Lager der WGS - Stand zu halten? Doris Neuhäuser: Für mich ist es unbedeutend, ob einzelne Personen Spaß daran haben, rückständige, frauenfeindliche, diskriminierende und verleumdende Behauptungen über mich zu verbreiten. Gleichberechtigung ist bei diesen Menschen offenbar nicht angekommen, wenn sie versuchen, eine Frau alleine über ihren Ehemann zu definieren. Derartige Behauptungen versuchen, mich als Person komplett herabzusetzen, als sei ich keine eigenständige Person und mit meiner eigenen Kompetenz und Berufserfahrung gar nicht da. Das ist natürlich Unfug. Außerdem hat mein Mann bereits öffentlich erklärt, sich aus der Stadtratsarbeit zurückzuziehen. Auf einen lebhaften Austausch von Argumenten im künftigen Rat freue ich mich allerdings, dies ist für mich Bestandteil einer lebendigen Demokratie. Als Bürgermeisterin werde ich den Rahmen dafür schaffen, dass dieser Austausch - anders als jetzt z.T. im Wahlkampf und hier insbesondere in den sozialen Medien - die Ebene von Respekt und Fairness nicht verlässt. Zum Abschluss hierzu: Kürzlich sprach ich mit zwei erfahrenen Politiker*innen aus Rinteln; sie erzählten mir, dass es früher besser gewesen wäre: man hätte im Rat diskutiert, auch mal heftiger, aber immer mit Niveau, und hinterher wäre man zusammen etwas Trinken gegangen und alles war wieder gut - das ist mein Ziel: kommunikativ in der Sache, moderat im Ton, und nie Rinteln aus dem Blick verlieren!Foto: privat