Auf dem Papier klingt es nach einem Fortschritt: weniger Zettelwirtschaft, schnellere Abläufe, digitale Versorgung. Doch wer mit Klaus Bellwinkel spricht, Inhaber der B33-Apotheke in Rinteln, bekommt einen anderen Eindruck. Seit der flächendeckenden Einführung des E-Rezepts ist für sein Team und ihn vieles komplizierter geworden und der Frust wächst derzeit auf allen Seiten der „Beteiligten”, also auch bei Praxen und Patienten.
„Der Verbraucher denkt, die Versichertenkarte wird eingesteckt und das Medikament kommt direkt aus dem Automaten an der Theke. Die Realität sieht ganz anders aus“, sagt Bellwinkel. Dabei sei die Grundidee aus seiner Sicht gar nicht schlecht. Besonders chronisch kranke und ältere Menschen profitieren, weil sie Rezepte ohne zusätzlichen Gang zum Arzt erhalten können, vorausgesetzt, sie haben ihre Versichertenkarte im laufenden Quartal bereits abgegeben.
Ein echter Vorteil sei zudem die Flexibilität: Wer im Urlaub sein Medikament vergisst, kann sich vom Hausarzt ein Rezept digital ausstellen lassen und es dann in einer beliebigen Apotheke in Deutschland einlösen. In der touristisch geprägten Weserstadt ist das längst Alltag.
Mehr Aufwand – weniger Verständnis
Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine große Lücke. Laut Bellwinkel hat sich der Arbeitsaufwand spürbar erhöht. Jedes E-Rezept sei ein komplexer Vorgang, technisch wie organisatorisch. Trotz moderner Technik und Glasfaseranschluss wartet das Team mitunter minutenlang, bis ein Rezept vollständig eingelesen ist. „Der zeitliche Mehraufwand pro Rezept liegt locker bei fünf Minuten“, erklärt der Apotheker. Bei hohem Patientenaufkommen summiert sich das.
Hinzu kommt: Was früher auf einem Papierrezept mit mehreren Medikamenten zusammengefasst war, wird nun digital in einzelne Vorgänge zerlegt. „Das bedeutet in der Praxis: vier Medikamente gleich vier Rezepte. Und das alles müssen wir prüfen, speichern, dokumentieren“, sagt Bellwinkel. Dass dieser Aufwand den Kunden verborgen bleibt, mache die Situation nicht leichter.
Systemfehler und nicht eingelöste Versprechen
Viele Probleme beginnen nicht erst in der Apotheke, sondern bereits in den Arztpraxen. Oft sind E-Rezepte zum Zeitpunkt des Apothekenbesuchs noch gar nicht freigegeben oder erzeugt. „Der Patient verlässt die Praxis in dem Glauben, das Rezept liege bereit, doch wenn er bei uns ankommt, ist nichts da“, so Bellwinkel. Das sorge für Ärger auf beiden Seiten der Theke.
Besonders heikel wird es, wenn ein verordnetes Medikament nicht lieferbar ist. Früher durften Apotheken unkompliziert auf Alternativen ausweichen. Heute ist das deutlich schwieriger, rechtlich und technisch.
„Für unseren Berufsstand ist das in der jetzigen Form schädlich“, unterstreicht Bellwinkel. „Das alles geht zulasten der stationären Apotheken und spielt den Versandhändlern in die Karten.“
Widerstand formiert sich
Die Kritik an der Umsetzung des E-Rezepts ist längst nicht mehr vereinzelt. Die Freie Apothekerschaft kündigte kürzlich rechtliche Schritte an. Hintergrund sind wiederholte technische Ausfälle und Systemstörungen. Eine Kanzlei wurde beauftragt, Anträge auf Informationszugang beim Bundesgesundheitsministerium und der Gematik zu stellen. Ziel ist mögliche Schadensersatzansprüche für betroffene Apotheken zu prüfen.
Bellwinkel bleibt dennoch pragmatisch. Er erkennt die Vorteile und fordert Nachbesserungen, bei der Technik, beim Informationsfluss und bei der Entlastung der Apothekenteams.
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