Apotheken vor Ort stärken | Schaumburger Wochenblatt

22.05.2025 08:43

Apotheken vor Ort stärken

Die Wachstumsraten gehen immer weiter auseinander - zu Lasten der Apotheken. (Foto: nd)
Die Wachstumsraten gehen immer weiter auseinander - zu Lasten der Apotheken. (Foto: nd)
Die Wachstumsraten gehen immer weiter auseinander - zu Lasten der Apotheken. (Foto: nd)
Die Wachstumsraten gehen immer weiter auseinander - zu Lasten der Apotheken. (Foto: nd)
Die Wachstumsraten gehen immer weiter auseinander - zu Lasten der Apotheken. (Foto: nd)

Große Online-Apotheken werben mit Persönlichkeiten wie Günther Jauch für den Medikamentenkauf per Mausklick. Doch was bedeutet das für Apotheken vor Ort? Thomas Berger, Inhaber der Sonnen-Apotheke Lauenau, gibt uns Einblick: „2024 hatten die Versandapotheken einen Marktanteil von 25 Prozent bei freiverkäuflichen Arzneimitteln. Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten liegt der Anteil noch bei einem Prozent, wird aber durch das E-Rezept exponentiell wachsen“, erläutert Thomas Berger.
Das stellt lokale Apotheken vor große Herausforderungen. „Viele Apotheken stehen wirtschaftlich unter Druck. Der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten wird das Problem verschärfen.“
Doch Berger betont, dass man vor Ort mit Vorteilen punkten kann. „Unser Botendienst zum Beispiel liefert Medikamente noch am selben Tag – kostenfrei. Sollte ein Medikament falsch bestellt worden sein, kann es getauscht werden. Auch bei Rezeptfehlern können wir direkt mit den Ärzten Rücksprache halten und so schwerwiegende Folgen verhindern.“ Der direkte Draht ist wichtig.
Auch gibt es die Bestelloption per App. „Seit 2024 können Kunden mit der gesund.de-App E-Rezepte direkt an uns senden und so doppelte Wege vermeiden oder sich Medikamente nach Hause liefern lassen.“ Das Apotheken im Landkreis nun auf solche Systeme setzen, hält Berger für überaus wichtig.
Ein zentraler Vorteil der Apotheken vor Ort ist und bleibt die persönliche Beratung. „Wir kennen unsere Kunden und haben oft ihre Medikation in der Kartei. Dadurch erkennen wir Wechselwirkungen und können im Ernstfall eingreifen. Häufig verschreiben Haus- und Fachärzte unabhängig voneinander Medikamente, die sich nicht vertragen. In der Apotheke können wir Patienten davor schützen.“
Auch bei freiverkäuflichen Medikamenten kann die Beratung wichtig sein. „Wer beispielsweise Blutverdünner nimmt und Aspirin kauft, erhält von uns eine Warnung. Das sind Dinge, die im Online-Handel nicht passieren.“

Lokalen Gesundheitsversorgung

Auch der Notdienst ist ein essenzieller Bestandteil der lokalen Gesundheitsversorgung. „Wir stehen rund um die Uhr zur Verfügung. Ich würde Günther Jauch gerne sehen, wenn er versucht, nachts ein dringend benötigtes Medikament über eine Online-Apotheke zu bekommen.“
Doch die Rahmenbedingungen für Apotheken haben sich in den letzten Jahren verschlechtert. Die Vergütungen wurden teils seit 20 Jahren kaum angepasst, obwohl Löhne, Wareneinkauf und Sachkosten massiv gestiegen sind.
Die Folgen sind spürbar: „Während es 2020 noch über 20.000 Apotheken in Deutschland gab, waren es 2024 nur noch 17.000. Das bedeutet eine dramatische Abnahme der Versorgungsdichte.“
Um Apotheken langfristig zu erhalten, fordert Berger eine Erhöhung der Apothekenvergütung und ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten – wie es in vielen europäischen Ländern der Fall ist. „Medikamente sind keine Waren, die nach der ‘Geiz ist geil’-Methode betrachtet werden sollten. Apotheken vor Ort sind essenziell für die Gesundheitsversorgung.“
Ein drastisches Beispiel für die Folgen der Gesundheitspolitik hat sich bereits gezeigt: „Durch jahrelangen Preisdruck kam es zu Lieferengpässen bei Antibiotika, Schmerzmitteln und Insulin. Das zeigt, dass der Fokus nicht nur auf günstigen Preisen, sondern auf einer sicheren Versorgung liegen muss.“

Schlüsselerkenntnisse

  • Apothekenvergütung vs. andere Kennzahlen: Die Apothekenvergütung ist mit +10,2% seit 2013 unterdurchschnittlich gestiegen.
  • Durchschnittliche Steigerung: Die anderen wirtschaftlichen Kennzahlen zeigen im Durchschnitt eine Steigerung von +46,1%.
  • Größte Differenz: Zwischen GKV-Einnahmen (+63,8%) und Apothekenvergütung (+10,2%) liegt eine Differenz von 53,6 Prozentpunkten.
  • Ohne Notdienstzuschlag: Die Apothekenvergütung ohne Notdienstzuschlag läge 2024 sogar nur bei +8,6% im Vergleich zu 2013.
  • Prekarität: Bei steigenden Sach- und Personalkosten (Tariflöhne +40,5%, Inflation +28,9%) und nahezu stagnierender Vergütung verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation der Apotheken kontinuierlich.


Nadine Dressler
Nadine Dressler

Redakteurin Schaumburger Wochenblatt

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