Die Mitarbeiter auf Schlössern spüren auch heute eine ganz besondere Verbundenheit mit und Treue zu ihren Arbeitgebern und den alten Gemäuern. Ihr Einsatz geht oft weit über das hinaus, was von ihnen erwartet wird. Und bei ihnen allen schwingt ein großer Stolz in der Stimme mit, wenn sie über ihre Arbeit und ihr Schloss sprechen. So auch bei Alexander Perl. „Es ist unsere Aufgabe, den Menschen das Sehen wieder beizubringen”, sagt der Schlossverwalter des Schlosses Bückeburg. Dinge genau zu betrachten, dabei Zusammenhänge zu erkennen und aus dieser Erkenntnis heraus zu handeln, lernte Alexander Perl selbst schon sehr früh. Als Kind sah er in einem Gartenbuch von 1896 einen Mann mit einem Kneifer eine Rose veredeln und dachte: „Das will ich auch machen.” Und so wurde er Gärtner. Als er 1983 einmal das Schloss Bückeburg besichtigte, hingen dort große Luftaufnahmen vom Gelände, und Perl sagte: „Hier möchte ich arbeiten!” Die Dame an der Kasse hörte das und fragte ihn, was er denn von Beruf sei. „Ich sagte ihr, ich sei Gärtner, und sie meinte, dann sollte ich mich mal schnell bewerben, denn der bisherige Gärtner war gerade gestorben.” Und so wurde er Gärtner auf Schloss Bückeburg. Bis 2001 war er für die Pflege des Schlossgartens zuständig, dann ging der Schlossverwalter in den Ruhestand. Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe, sein Arbeitgeber, sagte daraufhin zu Perl: „Wissen Sie schon, wer sein Nachfolger wird?” Und Perl ahnte: es kamen neue Aufgaben auf ihn zu. Dabei ist er kein Büromensch, sondern ständig im Schloss unterwegs. „Und wenn es Frühling wird, ist mein Bürofenster immer auf. Schließlich arbeite ich an einem der schönsten Arbeitsplätze der Welt.” Als Schlossverwalter muss er auch viel unterwegs sein, denn er ist für so vieles zuständig: die jährlichen Veranstaltungen Landpartie und Weihnachtszauber fressen einen Großteil der Arbeitszeit, das Auffinden historischer Baumaterialien für Sanierungen, die Restaurierung von Bildern oder Waffen, die Digitalisierung der umfangreichen Inventarverzeichnisse, die Pflege der Räume in Zusammenarbeit mit der Bauabteilung, die Überwachung des Raumklimas, das Wiederauffinden von in der Nachkriegszeit gestohlenen Kunstwerken, die Durchführung von Ausstellungen, die Repräsentanz des Schlosses auf Messen, die Neugestaltung von Teilen des Schlossparks, die Erstellung eines Baumkatasters – die Liste nimmt kaum ein Ende. Dazu kommen die Wünsche der Eigentümerfamilie zu Schaumburg-Lippe, seien es kleine Veranstaltungen oder auch das Umgestalten von Privaträumen. Besondere Freude bereiten ihm die Bienenvölker im Schlosspark, deren Honig im Schlossshop erhältlich ist. Und obwohl ihn die Verwaltungstätigkeit so sehr in Anspruch nimmt, hat er manchmal noch Zeit für das große Ganze. „Hier immer wieder mit 500 Jahre alten Dingen zu tun zu haben, mit verloren gegangenen Handwerkskünsten, mit dem Mut vieler Menschen, die die Kostbarkeiten des Schlosses vor Besatzern gerettet haben – all das macht mich ehrfürchtig”, sagt er und wünscht sich, dass die Menschen von heute ähnliches spüren, wenn sie sich zurückversetzt fühlen in die alten Zeiten. „Gerade habe ich versucht, einem kleinen Jungen zu erklären, wie viel 900 Jahre sind, dass es vieles damals nicht gab, was für ihn heute selbstverständlich ist”, sagt er. Ihm macht so etwas Freude, und dennoch bedauert er, wie schwierig es für Menschen geworden ist, sich zu konzentrieren und sich einzulassen auf eine solche Reise in die Vergangenheit. „Wir haben es heute so gut”, sagt er. „Es wäre so wichtig, dass das unsere Besucher erkennen könnten und um wie viel primitiver unsere Welt heute eigentlich geworden ist.” Und so ist Perl mehr als nur ein Verwalter am Schreibtisch – er ist Verwalter eines Erbes, dessen Aufgabe es ist, nicht nur die Lehren aus den alten Zeiten, sondern auch die Geschichten und Künste ins Heute und Morgen zu tragen. Foto: jh