Das Wissen über Vögel zu mehren und zu bündeln sei das vorrangige Ziel der NOV, sagt Brandt. Fakten schaffen – darum geht es. Bewertet werden die Fakten an anderen Stellen. In Kommunen, bei Naturschutzverbänden wie dem NABU, bei Landkreisen, dem Land und gelegentlich auch der EU. Denn wer nicht weiß, wie sich Populationen verändern, nicht weiß, wo sich Vögel wieder ansiedeln oder auch ganz und gar von der Landkarte verschwinden, kann keine wirkungsvollen Konzepte erstellen. Rund 900 Mitglieder gehören zum NOV und das, sagt Brandt, seien tatsächlich Privatleute, die sich für Ornithologie interessieren. Über ganz Niedersachsen verstreut leben sie, was auch sehr gut so ist – denn der überwiegende Teil dieser Mitglieder belässt es nicht bei der jährlichen Zahlung des Vereinsbeitrags, sondern arbeitet aktiv mit. Diese Mitarbeit besteht in erster Linie darin, auf zugewiesenen Flächen Vögel zu zählen. Was so einfach klingt, erfordert einiges Wissen um die heimische Vogelwelt. Welcher Vogel ist es, der dort aus dem Feld aufsteigt, wessen Gesang erklingt aus einem dichten Gebüsch? Zu welchen Tages- und auch Jahreszeiten sind diese oder jene Vögel aktiv? Bei drei Wanderungen auf einem Weg einen Pirol gesichtet? – Das lässt darauf schließen, dass er wirklich sein Revier dort hat. Solche Zählungen werden jährlich durchgeführt, die Ergebnisse an zentraler Stelle gesammelt und in mehrjährigem Rhythmus als „Atlas der Brutvögel in Niedersachsen und Bremen” herausgegeben. Dort lässt sich dann zu den Brutvögeln ablesen, in welchen Regionen sie in welcher Anzahl vorkommen – aber auch, wie sich die Bestände verändert haben. Der jüngste Atlas stammt aus 2008 – dessen Nachfolger ist soeben im Werden. Das werde interessant, sagt Brandt, denn 2009 habe es einen Einschnitt gegeben. Damals sei die Landwirtschaft erheblich intensiviert worden durch den Biomasse-Boom. Biogasanlagen schossen aus dem Boden. Um sie bestücken zu können, wurden brach liegende Flächen in Maisfelder umgewandelt. Vorher, berichtet Brandt, habe es eine Auflage für die Landwirte gegeben, wonach sie sieben Prozent ihrer Flächen brach liegen lassen mussten. Davon sei dann plötzlich nicht mehr die Rede gewesen - und die Vögel hätten sieben Prozent Fläche verloren, auf denen so mancher von ihnen seinen Lebensraum gefunden hatte. Auswirkungen daraus seien etwa, dass 80 Prozent der Bekassinen in Niedersachsen seitdem verschwunden seien und auch der Braunkehlchen-Bestand sei um 60 Prozent zurückgegangen. Viele weitere Beispiele könnte er noch nennen – oder demnächst mit dem neuen Atlas belegen. „Wir reden alle vom Klimawandel. Das Artensterben ist aber ein mindestens ebenso großes Thema”, mahnt und warnt der Diplom-Biologe. Positive Ergebnisse hat Brandt aber auch zu vermelden. Wie etwa beim Steinkauz. Als dessen Population zurückging, wurde mit privaten Initiativen begonnen – an vielen Stellen wurden Nistkästen aufgehängt. Gezielte öffentliche Programme gingen noch weiter, unter anderem wurden Obstwiesen angepflanzt, die ein ideales Brutgebiet für die Käuze sind. Für die Wiesenweihe hingegen besteht oft eine gute Kooperation zwischen den „Hobby-Ornithologen” der NOV und Landwirten. Sie brütet nämlich inmitten von Getreidefeldern – die abgeerntet werden, bevor die Küken flügge sind. Haben die NOV-Mitglieder Nester in Feldern ermittelt, setzen sie sich mit den Landwirten in Verbindung, die gegen eine kleine Entschädigung einen Teil des Getreides nicht mähen – so kann die Art erhalten bleiben. Das, betont Brandt, sei nur ein Beispiel der guten Zusammenarbeit, die es mit Landwirten gebe. Was ihm Sorgen bereitet, ist die zunehmende Überalterung unter den NOV-Mitgliedern, die sich um die Kartierung kümmern. So wünscht er sich, dass sich weitere für diese Arbeit interessieren. Ein gewisses Vorwissen über Vogel-Arten sei sinnvoll, um mitmachen zu können. Allen Mitgliedern biete die NOV aber auch regelmäßige Weiterbildungen an. Interessenten können sich gerne bei Thomas Brandt in der ÖSSM unter der Nummer (0 50 37) 96 70 melden. Foto: jan