Gravierende Änderungen in der Berechnung der Mautgebühren für die Nutzung von Bundesstraßen und Autobahnen sowie die Einführung eines neuen Tarifmerkmals, dem CO2-Aufschlag, bereiten nicht nur Transport- und Logistikunternehmern Schweißperlen auf die Stirn. Auch die mittelständischen Handwerksbetriebe sind zumindest teilweise davon betroffen. Grob zusammengefasst kostet seit dem 1. Januar 2023 nach einer Mautanpassung ein in Euro 6 (der besten Klasse) eingestufter Lkw über 18 Tonnen 19 Cent/km. Ab dem 1. Dezember werden für diesen Lkw 34,8 Cent/km fällig. Mit der Einführung eines neuen Tarifmerkmals wird ein CO2-Aufschlag von 200 Euro/Tonne CO2 erhoben. In Deutschland liegt dieser Aufschlag sogar noch 90 Euro über den in der EU geltenden Richtlinien. Weitere Änderungen werden zu beginn des neuen Jahres wirksam. So entfällt die Mautbefreiung für umweltfreundlicher betriebene LNG-Gas-Lkw und ab dem 1. Juli werden Fahrzeuge über 3,5 Tonnen mautpflichtig.
Colette Thiemann, heimische Landtagsabgeordnete der CDU, bewertet das Vorgehen der Bundesregierung als eine „… verdeckte Querfinanzierung des Bahnausbaus.“ Ihrer Ansicht nach werden die zusätzlichen Einnahmen nicht in die Sanierung von Straßen oder der vielen sanierungsbedürftigen Brücken fließen, sondern in die Finanzierung der Schiene. „Es gilt aber die Grundaussage: Straße finanziert Straße!“ Die Produkte werden teurer, weil die Betreibe die Kosten auf die Kunden umlegen müssen, so glaubt die Landespolitikerin, am Schluss zahlt der Endverbraucher und das in Zeiten der Inflation.
Mit Blick auf die einheimische Bevölkerung sieht Thiemann eine Steuererhöhung für Benzin und Diesel, dass es die Menschen trifft, die sowieso keine Möglichkeiten zum Ausweichen haben. Fahrten zum Einkauf, zu Behörden oder auch zum Krankenhaus. „Wieder einmal ist der ländliche Bereich Verlierer der verkehrswende,“ stellte sie unumwunden fest. Weitere Verlierer seinen die Geringverdiener. Sie können sich kein E-Auto kaufen und haben keine Wallbox. Letztendlich würden auch die Arbeitsplätze in Schaumburg für Bewerber von außerhalb deutlich unattraktiver, wenn die Fahrtkosten weiter steigen.
Für Kreishandwerksmeister Dieter Ahrens, selbst Eigentümer eines Handwerksbetriebes mit über 60 Mitarbeitern und einem Fahrzeugpark von 40 Pkw und Transportern plus 14 Anhängern, hat die Mauterhöhung direkt erst einmal nur wenig Auswirkung. Seine Handwerkerfahrzeuge fahren bisher noch mautfrei. Die zusätzlichen Kosten für seine Zulieferfirmen würden jedoch auf seine Kosten umgelegt und er müsse diese dann an den Endkunden weitergeben. Das betrifft die meisten der etwa 1.800 Handwerksbetriebe im Landkreis. Vielfach würden heute bereits Anlieferungspauschalen zwischen 20 und 40 Euro berechnet. Ein Umstieg auf elektrisch betriebene Klein-Lkw ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Zum einen sind diese angebotenen Transporter erheblich teurer, als Diesel oder Benziner. Zum Zweiten ist eine erforderliche Ladestruktur in Deutschland nicht vorhanden. Nach einer Fahrt im Landkreis müsste das Fahrzeug über Nacht geladen werden. Um die entsprechende Zahl von Ladesäulen zu betreiben ist ein teurer Trafo erforderlich. Drittens wird das Handwerk extrem benachteiligt. Förderprogramme für Infrastruktur werden am Handwerk vorbei herausgegeben. Ein neu aufgelegtes Förderprogramm für Klein- und Mittelständische Betriebe geht völlig am Bedarf vorbei, da dieses erst für Schnellader über 50 Kw/h gilt. Diese benötigen wieder Trafos und werden im Alltagsbetrieb nicht benötigt. Mit einem simplen Rechenbeispiel zeigte der Photovoltaik-Spezialist auf, warum auch er nicht auf E-Transporter umstellt. Ein 4,5-tonner kann etwa 1.000 kg zuladen. Das reicht möglicherweise für die Arbeit auf einer Baustelle aus. Unter guten Bedingungen und im Sommer benötigt solch ein Fahrzeug etwa 40 Kw/h pro 100 Kilometer, ohne Anhänger. Damit erreicht der Transporter nicht annähernd die für seine Arbeitsstellen erforderliche Reichweite von mindestens 300 Kilometern. Seiner Meinung nach ist die Entwicklung in der Bevölkerung noch gar nicht richtig bekannt. „Ich bin zwar Innungsmeister, spreche aber für alle Handwerksbetrieb in Schaumburg,“ so sein Statement. „In den Unternehmen arbeiten circa 10.000 Mitarbeiter und ungefähr 800 Auszubildende.“
Noch erheblich gravierender stellt sich aus Sicht des Transport- und Logistik-Unternehmers Stefan Kauffeldt die Lage für den Schwerlastverkehr dar. Als Geschäftsführer des 2003 von seinem Vater gegründeten Unternehmens, ist er Chef von 68 Mitarbeitern. Im täglichen Betrieb fahren 48 Lkw als Kipper, Silozüge sowie mit Aufliegern, deren Seitenflächen zur Beladung komplett geöffnet werden können. Diese werden häufig in der Glasindustrie eingesetzt und müssen damit quasi rund um die Uhr im schichtbetrieb fahren. Für das Gespräch mit dem Schaumburger Wochenblatt hat der Transportunternehmer einmal Zahlen allein für die Mautgebühren hochgerechnet. Nach der bisherigen Berechnung zahlt Kauffeld etwa 740.000 Euro an jährlicher Maut. Nach der Festsetzung der neuen Mautgebühren sind es dann 1.354.200 Euro – eine Steigerung von 83 Prozent. Kauffeld ist derselben Ansicht, wie der Gesamtverband des Verkehrsgewerbes Niedersachsen (GVN). „Das ist quasi eine Steuererhöhung!“
Da es am Markt kaum emissionsfreie Lkw und erst recht keine entsprechende Tank- und Ladeinfrastruktur gibt, gleicht die Mautverdoppelung einer Steuererhöhung. In Stefan Kauffelds Fahrzeugpark befinden sich bereits sechs Zugmaschinen, die mit LNG-Antrieb versehen sind. Ab Januar sind auch diese mautpflichtig. Er möchte gern auf Bio-LNG umstellen, da damit etwa 90 Prozent CO2 eingespart werden könne. Genau diese sechs Zugmaschinen musste der Unternehmer vor einiger Zeit stilllegen. Der Kg-Preis für LNG-Gas war von 83 Cent/kg auf 5,39 Euro geklettert. Jeder Lkw hätte damit einen fünfstelligen Betrag an Verlust eingefahren. Kauffeld und die meisten anderen Verbandsmitglieder sind der Ansicht, dass sie etwas für das Klima tun müssen. Auch er stimmt für einen CO2-Aufschlag, aber in angemessener Höhe von 100 Euro/Tonne. Zusätzliche finanzielle Belastungen für das Transportgewerbe müssen auf die Kunden umgelegt werden. Damit zahlt dann am Ende wieder jedermann, beschreibt er die Situation. Er würde gern auf Zugmaschinen mit emissionsfreien Antrieben umstellen. Elektrisch oder mit Wasserstoff betriebene Lkw kosteten zurzeit etwa das 3 1/2-fache, statt 150.000 circa 700.000 Euro. Eine erforderliche Ladeinfrastruktur mit Lademöglichkeiten von mindestens 150 Kw/h, fehlt nahezu völlig. Mit der angekündigten turnusgemäßen Erhöhung der nationalen CO2-Abgabe auf fossile Energie (Benzin und Diesel) zum 1. Januar 2024, erhöht sich der Dieselpreis um rund fünf Cent/Liter. Im Schnitt verbraucht sein Fuhrpark circa 1.300.000 Liter im Jahr. In der Summe schlagen die veränderten Mautgebühren mit der Erhöhung der CO2-Abgabe mit über 700.000 Euro zu Buche. „Das kann ein mittelständischer Betrieb nicht schaffen. Wir müssen die Kosten umlegen,“ lautet sein Fazit. Mit der Einführung der Maut im Jahr 2005 wurden ausländische Schwerlastunternehmer an den Kosten für Reparatur und Ausbau des Straßennetzes beteiligt. Wie auch Colette Thiemann bereits bemängelte, die Mehreinnahmen würden nun vorrangig der Bahn zugutekommen.