Wir lieben sie doch alle: die süßen Tiervideos im Netz. Ob es nun lustige Fail-Compilations auf YouTube sind oder die kurzen Instagram-Reels, in denen Haus- und Wildtiere erstaunliche Dinge machen. Aber Tier-Content hat oft eine dunkle Seite.
Ein großer Teil des Contents auf Videoplattformen wie TikTok oder YouTube sind Tiervideos. Süße Hunde und Katzen, die vor der Kamera Unfug treiben und die Zuschauenden zum Lachen bringen. Aber es gibt auch anderen Arten von Tiervideos: Tier-Challenges, in denen Tierhalter ihre Haustiere mit Käsescheiben abwerfen, zum Beispiel. Oder Videos, in denen sie ihre Katzen hochheben und vor der Kamera drehen. Oft steckt hinter solchen Videos Tierleid – bereitgestellt für die digitale Welt zum Anschauen und Amüsieren, auf Kosten der Tiere. Und oft wissen Menschen gar nicht, dass sie Tierleid posten oder sich dieses Tierleid gerade anschauen und auch noch weiterverbreiten.
Welche Arten von Tierleid passieren in Tiervideos?
Wiebke Plasse, Leiterin in der Kommunikation der „Welttierschutzgesellschaft“ (WTG) unterscheidet drei Kategorien von Tierleid in Tiervideos: „Wir haben als allererstes das eindeutige Tierleid. Das ist sehr vielen Nutzerinnen und Nutzern auch klar, wenn sie es sehen.“ Unter Kategorie eins fallen Fotos und Videos, die rohe Gewalt gegenüber Tieren enthalten oder Misshandlungen, die deutlich erkennbar sind, aber auch die Haltung von Wildtieren oder sogenannten Qualzuchten.
„Schwieriger zu erkennen wird es bei der zweiten Kategorie. Die haben wir betitelt als sogenannter Tierleids-Verdacht“, erklärt Plasse weiter, „weil auf den sozialen Medien sehen wir nur eine kurze Sequenz oder nur ein Foto und da ist der Kontext einfach nicht klar.“ Oft enthalten diese Videos Tiere in einem Leidzustand, jedoch kann man hier nicht mit Sicherheit sagen, ob Menschen sie in diesen Zustand brachten, um Klicks zu erhalten oder ob sie tatsächlich versuchen zu helfen. Oft ist die Lage auch abhängig vom Account, welches den Content veröffentlicht.
„Die dritte, ganz große Kategorie, ist der respektlose Umgang mit Tieren“, so die Tierschützerin, „Dahinter verbirgt sich ganz oft per se gar kein Tierleid. Aber es ist eben ein Umgang mit Tieren, der unserer Ansicht nicht im Sinne des Tierschutzes ist. Er birgt auch immer die Gefahr, Nachahmung zu finden und eine Steigerung herbeizurufen, die am Ende eben in Tierleid mündet.“
Wie erkennt man Tierleid der zweiten und dritten Kategorie?
Bei der zweiten Kategorie empfehlt es sich, auf den Account des Posts zu klicken, um sich über den restlichen Content ein Bild zu verschaffen. Zeigt der Accoung zum Beispiel Videos, in denen eine Person etwa einen Hund vor einer Gefahr rettet? „Wenn das Video von Anfang bis Ende professionell mit Equipment gefilmt wurde, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich hierbei um eine Situation handelt, in der das Tier extra in Gefahr gebracht wurde, um es dann vor der Kamera zu retten und Klicks zu erhalten.“
Aber auch, wenn der Creator eine Vielzahl an Videos in seinem Feed postet, die immer davon handeln, dass er oder sie Tiere aus brenzligen Situationen rettet. Dann ist es wahrscheinlich, dass er die Tiere mit Absicht in Gefahr bringt, um als Held dazustehen. Die „WTG“ hat für diese drei Kategorien einen Leitfaden erstellt. Dank diesem soll es einfacher sein, Tierleid in dieser Kategorie zu erkennen. „Wir haben dort oft vorkommende Videoarten eingeordnet und klären auf“, erklärt Wiebke Plasse.
Was tun, wenn man Quälerei in Tiervideos entdeckt?
Ganz wichtig ist: Nicht liken, nicht zu Ende schauen, nicht kommentieren, nicht weiterverbreiten. Klar, so ein Kommentar kann gut gemeint sein und auf das Tierleid hinweisen – aber kommentieren bedeutet immer auch interagieren. Und das spielt nur den Creatoren der Videos in die Hände. Denn auch ein Daumen runter bedeutet Engagement, also Aufmerksamkeit und Relevanz. Je mehr Reichweite, desto leichter ist es für die Ersteller, von dem Tierleid auch finanziell zu profitieren. Videos mit vielen Interaktionen werden vom Algorithmus als beliebt und erfolgreich angesehen, sodass er den fragwürdigen oder gar gefährlichen Inhalt noch mehr Menschen anzeigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass andere Menschen solche Videos nachahmen, steigt. Außerdem nimmt der Algorithmus die Interaktion auf und zeigt den Usern zukünftig mehr solcher Videos, die sie gar nicht sehen möchten. Ein Teufelskreis.
Keine Likes für Tierleid
Am wichtigsten ist es natürlich, Tiervideos, die Leid und Qual von Tieren zeigen, zu melden. Das sorgt im besten Fall dafür, dass die Videos gelöscht werden und der Account von dem jeweiligen Sozialen Netzwerk gebannt wird. Natürlich löst das nicht alle Probleme, aber immerhin ist es ein kleiner Schritt hin zu tierleidfreieren Sozialen Medien.
Das gesamte Gespräch mit Wiebke Plasse von der „Welttierschutzgesellschaft“ gibt es als Folge des DeineTierwelt-Podcasts „Tierschutz-Update“ auf Spotify, Apple Podcasts und allen gängigen Podcast-Portalen zum Anhören.