Insgesamt gesehen war es ein lebendiger, interessanter und kontrastreicher Gottesdienst, dem letztlich aber in vielen Abschnitten durch seine „Show-Anteile” der für einen Reformationstag wichtige Tiefgang fehlte. Den erhielt er durch die von Oliver Jaksch gelesenen Texte von Martin Luther, durch die Stiftskirchen-Schola unter Leitung von Claudia Wortmann und vor allem durch die Predigt der Landesbischöfin. Sie bedauerte in Anlehnung an das Prinzenlied „Du musst ein Schwein sein in dieser Welt”, dass damals wie heute der Ehrliche in unserer Gesellschaft der Dumme ist. Unsere Welt würde nach dem Dogma leben, dass Geld und Erfolg glücklich machen. Richtig sei aber, dass Jesus denen Glück zuspricht, die sich ganz auf Gott verlassen. Das sei etwas ganz anderes, als der heutige entleerte Glücksbegriff. Viele sehen nach ihren Worten die Zukunft des christlichen Glaubens in unserem Land skeptisch. Das dürfe nicht entmutigen, von den Hoffnungen zu sprechen, die gerade der Glauben gibt. Käßmann: „Wir können etwas ausstrahlen von der Lebenslust, die wir doch haben, weil Gott uns Lebensrecht und Würde zuspricht.”
Für sie und Deutschland wünsche sie sich gerade am Reformationstag nicht den Rückzug in eine Nische, sondern mutig hinein in die Auseinandersetzungen mit der Zeit. Dazu aber benötige man eine Substanz des Glaubens und eine Spiritualität, die ihn erfahrbar und lebendig werden lässt. Die EKD-Vorsitzende: „Wir benötigen eine Gemeinschaft, die uns hält, Hoffnungen und Träume, die alles Scheitern und alle Alltagsprobleme überschreiten.” Unsere Gesellschaft würde geradezu warten auf Eckdaten und Orientierungspunkte, auf Gegenbilder. Die Christen müssten anfangen, eine ehrliche und überzeugende Kontrastgesellschaft zu sein und danach zu leben.
Dazu passten die von Oliver Jaksch zur Einführung gesprochenen Luther-Worte: „Ja, die Welt will des Teufels sein. Mir scheint, sie ist wie ein betrunkener Bauer: hebt man ihn auf der einen Seite in den Sattel, fällt er auf der anderen Seite wieder herab. Man kann ihr nicht helfen, man stelle sich an wie man wolle.”
Man bewundere den Mut von Fritz Baltruweit, in dessen Händen die musikalische Leitung des Gottesdienste lag. Er übte aufgrund des sehr engen Zeitfensters erst ganze acht Minuten vor Beginn der Übertragung ganz neue Lieder mit der Gemeinde ein. Darunter sogar auch einen Kanon. Praktiziertes Gottvertrauen, das letztlich auch belohnt wurde.
Durch den Gottesdienst führte souverän der kameraerprobte ARD-Fernsehpastor Jan Dieckmann. In seinen Händen lag auch die kirchliche Gesamtleitung. Die Lesungen der Bibeltexte erfolgten durch Michaela Allendorf. Foto: pot