Stepanowitsch steht am Ende seines Lebensweges und lässt noch einmal all das Revue passieren, was ihn unsterblich machen soll, und all das, was ihn zweifeln lässt - an seiner Umwelt und auch an sich selbst. „Schlaflosigkeit bestimmt unser Leben”, proklamiert der Mime im weißen Nachtgewand zwischen Aufstehen und Morgentoilette und räsoniert über sein Verhältnisse zur Ehefrau, die nicht mehr die schlanke Schöne ist, in die sich der junge Nikolai einst verliebte, und die Kinder, die nicht in seine Fußstapfen treten wollen. Immer wieder auf einem schmalen Grat zwischen Anklage und Selbstmitleid macht es Surholt mit dem bitterbösen Humor des russischen Zeitgenossen Wilhelm Buschs den Zuschauern nicht leicht. Doch eben auch damit schafft es der Mimie neben seiner grandiosen physischen Leistung, dass die im Titel programmierte Ödnis sich nicht breit machen kann.
Mit dem Bettgestell am einzigen Bühnenbild und einem Minimum an Requisiten gilt alle Aufmerksamkeit dem Mimen, der trotz aller resignativen Elemente des Protagonisten brillantes Theater ins Publikum schickt. Und sich selbst auch dann nicht aus Ruhe und Konzept bringen lässt, als ein Handyschrillen auf den Besucherstühlen daran erinnert, dass dort wichtige Persönlichkeiten sitzen. Da wissen wir allerdings schon, dass ein Medizinprofessor seine 150 Studenten so im Blick hat (und wohl auch haben muss, will er seinem eigenen Anspruch gerecht werden), wie der Dirigent Orchester und Partitur zugleich, und dass der Student, der bereits fünfmal durchgefallen ist, auch beim nächsten Mal keine Chance bekommt, sondern den Hinweis, sich einen anderen Job zu suchen. Dass sich Schauspieler auch als Missionare sehen. Und aktuelle Literatur „nichts Neues” und „nichts Gutes” bietet.
Bei aller Angst vor der Diagnose seines Kollegen, der ihn in Rente schicken will, will Stepanowitsch sein Finale letztlich nicht verderben. Er fühlt das Ende nahe und alles gilt dem Ziel, würdevoll zu sterben. Ob es gelingt, bleibt mit einem ultimativen Abgang Surholts durch den Vorhang offen. So ist nun mal das real existierende Leben, in dem man auch Träume hat, wenn man nicht schläft. Und so muss das Publikum Tschechows bitterböse Ironie erst einmal sacken lassen, ehe der langanhaltende Beifall Surholt belohnt und zurück auf die Bühne holt. Es war zum Nachdenken, wohl auch ein (versteckter) Appell, das Leben positiver zu gestalte – aber nie langweilig. Foto: privat