LANDKREIS (bb). Frauen werden einen Schwangerschaftsabbruch nach Absatz 1 des Paragraphen 218, also auf Grundlage der Beratungsregelung, auch am Standort des neuen Gesamtklinikums in Vehlen vornehmen lassen können. Die Landkreisverwaltung und Agaplesion, Betreiber des Klinikums, haben einen entsprechenden Kompromiss ausgearbeitet, sozusagen im Endspurt vor dem Abschluss des Übertragungsvertrages. Die Frage um Abtreibungen auf Grundlage sozialer Indikation am neuen Klinikum hatte in den vergangenen Wochen zu intensiven Diskussionen geführt. In einer ethischen Selbstverpflichtung schließt der kirchliche Träger Agaplesion Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung/sozialer Indikation in seinen Häusern aus. So wären nach dem ursprünglichen Vertragsentwurf Abtreibungen auf Grundlage der medizinischen Indikation möglich gewesen. Nicht jedoch, wie zuvor in den beiden kommunalen Krankenhäusern des Landkreises und jetzt noch in Stadthagen, auch auf Grundlage der Beratungsregelung/sozialen Indikation. Als ins Bewusstsein von Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit gelangte, dass die Übertragung des Gesamtklinikums zu dieser Konsequenz führen würde, erfolgten Proteste und hitzige Diskussionen (SW berichtete). Die Landkreisverwaltung leitete Verhandlungen mit Agaplesion ein, die nun zu einem Kompromiss führten, der in den Übertragungsvertrag eingearbeitet wurde. Dieser sieht „ein Kooperationsmodell im Rahmen eines ambulanten Operationszentrums mit niedergelassenen Ärzten” vor, wie es in der neu eingearbeiteten Klausel heißt. So werden Schwangerschaftsabbrüche am Standort des neuen Gesamtklinikums in Vehlen auch auf Grundlage der Beratungsregelung/sozialen Indikation möglich sein. Nicht vorgenommen vom Klinikum im eigentlichen Sinne, sondern durch die Kooperation mit dem dort zu schaffenden ambulanten Operationszentrum. Der Vertrag stellt auch sicher, dass solche Abtreibungen im Standort Stadthagen weiterhin erfolgen können, bis das Klinikum in Vehlen seinen Betrieb aufnimmt und das Operationszentrum dort zur Verfügung steht. Der eingefügte Vertragsabschnitt hebt hervor, dass im Konsortialvertrag von 2009 zur Zusammenführung der drei Krankenhäuser im Landkreis zu einem Gesamtklinikum vereinbart wurde, das damalige medizinische Leistungsangebot der Häuser im neuen Klinikum zu bündeln. Zu diesem Angebot zählten eben auch Schwangerschaftsabbrüche auf Grundlage sozialer Indikation. In der Aussprache zum Übergabevertrag im Kreistag (nebenstehend) erklärte die Abgeordnete Ilka Niemeyer (SPD), dass ihre Fraktion ohne diese Kompromisslösung den Beschluss nicht mitgetragen hätte. Sie dankte der Agaplesion-Geschäftsführung, die sich für diesen Kompromiss offen gezeigt habe, sowie dem Team der Verwaltung um den Landrat, das bei den Gesprächen in den „letzten Tagen und Stunden Höchstleistung gebracht” habe. Christiane Reckmann (SPD) schloss sich dem an und hob hervor, dass der Kompromiss durch die verpflichtende lebensbejahende Beratung dem Schutz ungeborenen Lebens diene und gleichzeitig dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen gerecht werde. Keine Frau, „die Schwanger und in Not ist, müsse nun in Schaumburg abgewiesen werden” und den Weg in einen Nachbarlandkreis suchen. Michael Dombrowski, hielt für die Fraktion der Grünen fest, dass es wichtig sei, diese Möglichkeit zur Abtreibung am Klinikstandort einzuräumen, weil dort umgehend die optimale Versorgung eingeleitet werden könne, falls beim Eingriff Komplikationen auftreten würden. Alle Kreistagsabgeordneten stimmten für den Übertragungsvertrag. Foto: bb/archiv bb