„Ich habe als Theologiestudent Seminare in Predigtlehre bei Dr. Hirschler belegt und weiß, dass heute niemand einschlafen wird”, leitete Oberprediger Martin Runnebaum bei seiner Begrüßung ein – und behielt mit seiner Prophezeiung recht. Der fast 85jährige Hirschler, zum Thema Luther ein ausgewiesener Fachmann, zog sein Publikum mit sonorer, kräftiger Stimme von Anfang an in seinen Bann. „Auch heute werden wieder Veränderungen im Gottesdienst gefordert”, stellte Hirschler fest. „Da werden Fotos mit nur sechs Personen in der Kirche gestellt, um schlecht besuchte Gottesdienste zu betonen und angeblich fehlen 2030 rund 600 Pastoren”, blickte er auf die gegenwärtige öffentliche Darstellung und schlug den Bogen zurück ins 16. Jahrhundert. „Auch am Neujahrstag 1530 war die Wittenberger Kirche nur mit 30 Gläubigen besetzt, was Luther zu einem Wutanfall und im Nachhinein zu einer viermonatigen Predigtpause veranlasst hat, an der auch die Bitten des Fürsten nichts ändern konnten. ‚Jesus hat auch nicht nur Erfolge gehabt’, begründete Luther dann lapidar seine Wiederaufnahme der Predigten.” Drei große Missstände habe der Reformator erkannt, berichtete Hirschler. Das Wort Gottes sei zum Schweigen gebracht worden, da nicht mehr Texte aus der Bibel gepredigt wurden, Lügen und Legenden im Gottesdienst seien gräulich anzuhören und der Gottesdienst werde von den Kirchgängern als gutes Werk verstanden. Daher sei es wichtig, dass das Wort Gottes wieder zu einem lebendigen Wort werde. Zuerst, schrieb Luther, müssten die Menschen die 10 Gebote, das Glaubensbekenntnis und das „Vater Unser” beherrschen und verstehen. Die Botschaft sei, dass der Mensch ein Sünder und Christus der alleinige Erlöser ist. Dazu forderte Luther Predigten auch in deutscher, statt nur lateinischer Sprache, damit die Gläubigen einen unmittelbaren Zugang zu den Inhalten des christlichen Glaubens erhalten konnten. Menschen hörten von dem „gnädigen Gott”, von Vergebung und Versöhnung. Das waren ganz neue Töne, denn bis dahin prägten Ablasspredigten, die Einhaltung der göttlichen Gesetze und der richtende Gott die kirchliche Lehre. Foto: pp