Eigentlich, so sollte man denken, gehen die NABU-Vorstellungen von Natur-, Tier- und Artenschutz diametral mit denen der Jäger auseinander. Eigentlich! Denn einen deutlichen Schulterschluss zeigen jetzt der Vorsitzender der Kreisjägerschaft, Sven Wilkening, und der Rintelner NABU-Vorsitzende Dr. Nick Büscher in Sachen Bejagung von Waschbären (Procyon lotor). Ein Schulterschluss, der, so Büscher, nicht nur in diesem Fall richtig und wichtig ist: „Auch die Jäger sind Naturschützer, haben eine Hegeverpflichtung, der sie auch nachkommen. Und auch bei vielen Pflanzprojekten arbeiten wir Hand in Hand mit der Jägerschaft zusammen!” Eine Kooperation, die Sven Wilkening unterstreicht: „Manche Leute glauben immer noch, Jäger seien nur darauf aus, aus Lust und Laune irgendwelche Tiere zu schießen. Uns verbindet mit dem Naturschutz viel mehr, als manche Menschen denken!” Die mehr als 1.000 Jäger in seinem Bereich engagierten sich in zahlreichen Naturschutzprojekten, häufig auch in Kooperation mit dem NABU. Waschbären kommen aus Nordamerika

Die Waschbären kamen 1934 aus Nordamerika zu einer jagdlichen Veranstaltung nach Hessen und 1945 gab es eine große Flucht aus einer Pelztierfarm nördlich von Berlin. Von da an ließ es sich der Waschbär bei fehlenden natürlichen Feinden in Deutschland so richtig gut gehen und verbreitete sich rasant. Man schätzt den Bestand an Waschbären in Deutschland derzeit auf rund eine Millionen Tiere. In der EU gilt der Waschbär gemäß der EU-Verordnung 1143/2014 als invasive gebietsfremde Wirbeltierart von EU-weiter Bedeutung und die EU Staaten sind verpflichtet, die Verbreitung dieser invasiven Neozoen frühzeitig zu überwachen und die Ausbreitung zu verhindern (Quelle: Landesjagdbericht).

Amphibien stehen hoch im Kurs

Im Rahmen des Verbundprojektes ZOWIAC (Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren) hat der Parasitologe Prof. Dr. Sven Klimpel und sein Team bei Studien in Hessen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt herausgefunden, dass Waschbären und ihr Jagdverhalten eine bestandsbedrohende Auswirkung auf zum Teil stark gefährdete Amphibien- und Reptilienarten haben. Zwischen Rinteln und Porta Westfalica sowie entlang des Wesergebirges Richtung Osten und im südlichen Bereich des Bückeberges ist durch die Aktionsgruppe „LIFE BOVAR” der Waschbär gesichert nachgewiesen. „LIFE BOVAR” kümmert sich beim NABU Niedersachsen um die dynamischen Lebensräume von Gelbbauchunken und andere Amphibienarten. In vielen Projektgebieten, wie beispielsweise den Schutzgebieten der Steinbrüche Bernsen und Rohden, wurden diverse Kreuzkröten und Gelbbauchunken gehäutet und ausgelutscht aufgefunden. Deshalb wandte sich LIFE BOVAR auch an Björn Wehrmann als Naturschutzobmann der Jägerschaft Hameln-Pyrmont mit der Bitte um Fang und Bejagung der Waschbären in diesen Regionen.

Gehäutet und dann verspeist

LIFE BOVAR Projektleiterin Dr. Mirjam Nadjafzadeh und ihr Team konnten von immer mehr gehäuteten Amphibien in den vergangenen Monaten berichten, die sie dokumentierten. Die intelligenten Waschbären haben nämlich entdeckt, dass bei vielen Krötenarten lediglich die Hautdrüsen ein giftiges Sekret aussondern. Häutet man sie, kann sich Herr und Frau Waschbär das Innenleben der wechselwarmen Tiere schmecken lassen. Kröten werden regelrecht ausgelutscht und die Häute findet man dann an den Tümpeln. Das läuft natürlich komplett gegen die Bemühungen von LIFE BOVAR, die auf den immer schlechter werdenden Status von Gelbbauchunke und Geburtshelferkröte hinweisen. Auch der Kammmolch gehen in seinem Bestand zurück und selbst vor Erdkröten, Grasfröschen und auch der streng geschützten Äskulapnatter macht der Waschbär nicht Halt. Und auch für viele heimische Singvögel ist der Waschbär eine Gefahr, denn sowohl Nester von Bodenbrütern als auch Nester in Bäumen sind für ihn ein gefundenes Fressen. Ein Grund für den Artenrückgang ist also auch der Waschbär und sein Feinschmeckersinn.

Schießen für den Artenschutz

Abhilfe erhofft sich der NABU Rinteln daher von der Kreisjägerschaft mit ihrem Vorsitzenden Sven Wilkening. Schonzeit haben die gefräßigen Kleinbären den Winter über in Niedersachsen nicht. Bis zum 31. März dürfen Jagdberechtigte Waschbären fangen und jagen. Im vergangenen Jahr wurden übrigens laut Landesjagdbericht 23.322 Waschbären von niedersächsischen Jägern erlegt: So viele wie noch nie! Für die Kreisjägerschaft vermeldete deren Vorsitzender Sven Wilkening im vergangenen Jahr mehr als 1.000 Abschüsse von Waschbären. Er ist sich sicher, dass sich im Kreis Jäger finden werden, die jetzt gezielt Jagd auf Waschbären machen, um den Natur- und Artenschutz zu unterstützen. Wilkening rät auch: „Falls sie einen Waschbären finden, bitte nicht mitnehmen, nicht anfüttern!” Hat man so einen Gesellen erst einmal bei sich zu Hause als Gast, hört der Spaß nämlich schnell auf. Für Dr. Nick Büscher ist der Abschuss von Waschbären durchaus mit Naturschutz in Verbindung zu bringen. „Da sind wir nicht fundamentalistisch, sondern sehr real in unserer Einschätzung. Tun wir das nicht, können wir die Amphibienprojekte auch gleich einstellen!” Denn, so Büscher: „Die Waschbären sind hoch intelligent. Die Jungtiere lernen von ihren Eltern, wie man Amphibien häutet und isst. Das muss unterbrochen werden!”