Im Vortragssaal des Niedersächsischen Landesarchivs lauschten sie gespannt dem Vortrag über die Forschungsergebnisse der Historikerin Monika Urbich. Urbich arbeitet seit 2021 am Lehrstuhl für Neuere Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena und hier zurzeit an einer Dissertation über die „… intellektuelle Biografie von Lulu von Strauß und Torney zwischen Jugendbewegung und Nationalsozialismus.“ (aus der Ankündigung der Schaumburger Landschaft). Ausdrücklich wies die Wissenschaftlerin daraufhin, dass es sich bei ihren Ergebnissen noch um einen „Werkstattbericht“ handele und sie sich freuen würde, mit der abgeschlossenen Dissertation, und dann promoviert, erneut in Bückeburg referieren zu dürfen. Lulu, mit vollem Namen Luise Elisabeth von Strauß und Torney, geboren und aufgewachsen in Bückeburg, lebte von 1873 bis 1956. 1916 heiratete sie den Jenaer Verleger Eugen Diederichs, zog zu ihm nach Jena und lebte dort bis zu ihrem Tod. Diederichs war ein national-völkisch-konservativer Verleger mit einer starken Annäherung an den Nationalsozialismus. In der aktuellen Betrachtung von Lulu von Strauß und Torney wird auch ihr eine große Nähe zum NS-System nachgesagt, wobei Monika Urbich deutlich machte, dass längst noch nicht alle Quellen ausgewertet seien. In den ersten Ergebnissen der Historikerin, ergibt sich für die gebürtige Bückeburgerin teilweise ein anderes Bild. So wird Lulu als eine unterwürfige, von ihrem Ehemann abhängige und zur Depression neigenden Frau geschildert. Im Kreis des Verlages wurde sie als „Tränentierchen“ bezeichnet. Nachdem die Historikerin auf bisher nicht berücksichtigtes Archivmaterial aus dem Nachlass von Eugen Diederichs, des Landesarchivs Bückeburg sowie des Deutschen Literaturarchivs Marbach, zugreifen konnte, stellt sich die Dichterin und Schriftstellerin von Strauß und Torney in einem teilweise anderen Licht dar. Monika Urbich hatte diese Frage in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen gestellt. Neben ihrer Rolle als Ehefrau und im Jenaer Verlag, untersucht sie die Frage, wie nah Lulu dem Nationalsozialistischen
System tatsächlich stand. Immerhin erhielt sie eine Reihe von Ehrungen der Nationalsozialisten und unterschrieb 1933 mit 79 anderen Autoren das „Gelöbnis treuer Gefolgschaft“. Der aus Sicht der Historikerin unterschiedliche Umgang mit Frauen und Männern bei der Aufarbeitung der NS-Zeit veranlasste Urbich, verschiedene historische Quellen von Rabbinern im Hinblick auf Judenfeindlichkeit untersuchen zu lassen. Einstimmig kamen diese zu dem Ergebnis, Lulus Aussagen zeigten „… keine über den häuslichen Antisemitismus hinausgehende Einstellung.“ Mit der Darstellung ihrer Untersuchungsmethoden, ihrer Forschungsansätze, der Arbeitsfelder und der Kritikdimension, brachte die Jenaer Wissenschaftlerin Monika Urbich den aufmerksamen Zuhörern den immensen Umfang ihrer Doktorarbeit nahe. So sei sie beispielsweise sicher, dass das in Bückeburg aufbewahrte, und ohne eine Urheberschaft, versehene Manuskript „Jesus und das Volk“, aus ihrer Feder stammte. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent, im Verlauf ihres Vortrages auf 99 Prozent erhöht, lässt sich hieraus die Einstellung Lulu von Strauß und Torney zu Fragen ihres Glaubens ableiten. In der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion, zeigten sich die Zuhörer sehr interessiert am Leben und Wirken der prominenten Mitbürgerin, nach der sogar eine Straße in der Residenzstadt benannt wurde.