Über 100 Fische später | Schaumburger Wochenblatt

Über 100 Fische später

In der Leinenfabrik (v.li.): Adrian Seegers, Rita Seegers, Petra Ohlendorf und Susanne von Stemm. (Foto: privat)
In der Leinenfabrik (v.li.): Adrian Seegers, Rita Seegers, Petra Ohlendorf und Susanne von Stemm. (Foto: privat)
In der Leinenfabrik (v.li.): Adrian Seegers, Rita Seegers, Petra Ohlendorf und Susanne von Stemm. (Foto: privat)
In der Leinenfabrik (v.li.): Adrian Seegers, Rita Seegers, Petra Ohlendorf und Susanne von Stemm. (Foto: privat)
In der Leinenfabrik (v.li.): Adrian Seegers, Rita Seegers, Petra Ohlendorf und Susanne von Stemm. (Foto: privat)

Taufe muss nicht gleich Taufe sein. So gibt es etwa in der evangelischen Gemeinde in Bokeloh nach dem grundsätzlichen Ritual mit Wasser und Segenspruch für die Kleinen noch einen besonderen Spaß: Sie werden in ein buntbemaltes Tuch gelegt und sanft darin geschaukelt. So war es in den vergangenen 15 Jahren - so soll es auch in der Zukunft sein wünschen sich die Verantwortlichen.

„Das Schaukeln ist gerade für viele Eltern ein sehr besonderer und berührender Moment“, sagt Pastorin Susanne von Stemm. „Es ist, als würde man das Kind noch einmal in Gottes Arme legen.“ Das Tuch von dem sie spricht, hat mit 140 mal 250 Zentimeter etwa die Maße eines Betttuches und ist mit den Jahren in Ehren ergraut: 107 bunte Fische mit Namen, Taufdatum und Bibelvers können Interessierte darauf finden und lesen. Das verewigte Ergebnis der vergangenen 15 Jahre. „Jetzt ist einfach kein Platz mehr“, sagt von Stemm. Grund genug ein neues Kapitel aufzuschlagen.

Die Anfänge

An die Anfänge der Tradition können sich Küsterin Petra Ohlendorf und Rita Seegers, Ehrenamtliche im Team der Kirche mit Kindern (KIMIKI) erinnern. „Die heutige Verwendung war eigentlich Zufall“, sagt Seegers. Die ehemalige Küsterin Siegrid Heise habe das Tuch bei einem Gemeindefest gewonnen. „Damals wussten wir gar nicht, wie alt und edel das Stück ist. Das kam erst später raus“, erinnert sich Seegers. Gemeinsam mit dem Team für Kindergottesdienste sei man in einer großen Runde auf die Idee mit dem Schaukeln im Tuch gekommen. Vor dem ersten Einsatz musste aber getestet werden, ob der Stoff auch wirklich stabil ist. Den Ehrenamtlichen gelang das mit einem Selbstversuch: „Wir haben uns gegenseitig reingelegt und durch die Kirche geschaukelt. Das war ein Riesenspaß – und der Tauftuch-Test war bestanden“, erzählt Seegers.

Die ersten Fische malten die Kinder des Kindergottesdienstes (Kigo) selbst, später übernahmen Team und Küsterin Petra Ohlendorf das Gestalten. „Besonders schön ist es, wenn ältere Geschwister einen Fisch für das Taufkind malen – mit viel Stolz und bunten Farben“, sagt von Stemm. Einen Ersatz für das vielgeliebte Stück Stoff haben die Beteiligten nun in der Nachbarschaft gefunden: Das neue Tauftuch kommt aus Steinhude von der Leinenfabrik Seegers & Sohn. In dem seit 1765 bestehenden Traditionsbetrieb kennt man sich mit Stoffen aus. „Auch wenn Tauftücher eher ein seltener Wunsch sind“, sagt Geschäftsführer Adrian Seegers. „Tatsächlich gibt es aber immer mal wieder Bestellungen für Altartücher.“ Die Anforderungen aus Bokeloh habe man ohne Probleme leisten können. „Das neue Tuch sollte in erster Linie schlicht, nicht ganz reinweiß und reißfest sein – eben eines, das viele Kinder tragen und begleiten kann“, sagt er. Froh sei man im Hause auch über den Wunsch nach einem Tuch aus reinem Leinen gewesen. „Das kommt dem Umweltschutzgedanken sehr entgegen. Für die Herstellung braucht es deutlich weniger Wasser als etwa Baumwolle in vergleichbarer Größe.“

Geschenk der Leinenfabrik

Überreicht hat der Geschäftsführer das besondere Stück persönlich an die neuen Eigentümer. Geld musste dafür von der Gemeinde nicht in die Hand genommen werden. „Wir feiern in diesem Jahr unseren 260. Geburtstag. Da darf man auch mal was verschenken“, sagt Seegers. Lange im Schrank bleibt das große Tuch übrigens nicht. Bereits Pfingstsonntag, 8. Juni, um 13 Uhr wird es erstmals feierlich eingesetzt. Und als wäre es geplant, werden an diesem Tag gleich zwei Jungen mit dem Namen Maleo darin geschaukelt. „Das ist schon fast biblisch“, schmunzelt Küsterin Petra Ohlendorf. „Ein doppelter Anfang für ein neues Tuch.“ Das alte Tuch soll in der Gemeinde behutsam archiviert werden – als farbenfrohes Zeitzeugnis von über hundert Taufen und der lebendigen Kraft von Ritualen, die berühren.


André Tautenhahn (tau)
André Tautenhahn (tau)

Freiberuflicher Journalist

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