„Gnadenlos komisch” und „erotisch zweideutig” - so schätzt Dr. Hans-Joachim Neyer nach langjähriger intensiver Auseinandersetzung mit Person und Werk Wilhelm Busch ein. Und das Wort des Direktors des Wilhelm-Busch-Museums in Hannover hat Gewicht, auch wenn er sich nach eigener Aussage immer wieder auf Biografen und Werk-Bewerter verschiedener Generationen beziehen muss. Doch gerade im Vorlauf des Doppeljubiläums mit 175. Geburtstag am 15. April 2007 und 100. Todestag am 9. Januar diesen Jahres oftmals auch wieder verworfenen neue Ideen zur Annäherung hätten auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den Maler und Zeichner, Dichter und Denker gebracht. All das referierte Neyer jetzt auf der voll besetzten Diele des Wilhelm-Busch-Geburtshauses in Wiedensahl, wo ihn Förderkreis-Vorsitzender Rudolf Meyer als „Boss aller Busch-Stätten” begrüßt hatte. Gleich zu Beginn seiner von einer Power-Point-Präsentation begleiteten Ausführungen wies der Gast aus der Niedersachsen-Metropole nachdrücklich auf die Grausamkeiten hin, die Buschs „Papierhanseln” in den verschiedensten Werken erlebten: Von Max und Moritz bis zum Eispeter, von der Frommen Helene bis zum schwarzen Mann, der vom Affen Fipps malträtiert wird. „Leichen pflastern seinen Weg”, resümiert Neyer über Busch. Und der sei ein sehr erfolgreicher gewesen. Zu gleich habe der „Massenunterhalter” aus Wiedensahl anders als Struwwelpeter-Autor Heinrich Hoffmann, der „die Tür für das Böse” in der Literatur geöffnet habe, mit seinen Geschichten keine pädagogischen Ziele verfolgt. „Er wollte nicht erziehen, nur unterhalten”. So seien es oftmals die lakonischen Bemerkungen am Ende der Geschichten, wenn die Grausamkeit ihren Höhepunkt erreicht habe, dafür verantwortlich, dass dem Betrachter das Lachen nicht im Halse stechen bleibe: „Hier sieht man ihre Trümmer rauchen, der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen”, heißt es bei der verkohlten Helene. Deshalb sei Busch so populär geworden und geblieben. Vehement wandte sich Neyer gegen Einschätzungen, Busch habe mit seinem Vater gänzlich über quer gelegen oder sei homosexuell gewesen. Der Vater habe all die Eskapaden seines Sohne Wilhelm finanziert. „Das kann kein böser Vater sein.” Und: „Nur weil er mehr Jungen als Mädchen gemalt hat, unbewiesene Schlüsse zu ziehen ist unredlich”, schreibt er „Wahrscheinlich-Biografin” Eva Weisweiler ins Stammbuch. In seiner Münchner Zeit habe der Erfinder des Comic wohl am ehesten eigene erotische Erfahrungen gemacht. Doch eindeutige Belege gebe es weder dafür noch zu seinem Verhältnis zur Frankfurter Bankiersgattin Johanna Kessler. Die habe wohl alle Avancen ihres Schützlings mit dem Hinweis auf „viele andere schöne Frauen in der Stadt” gekontert. Ausgehend vom damaligen Moralbegriff seien in den „Liedern eines Lumpen” und bei der „Frommen Helene” durchaus erotische Komponenten zu entdecken. „Der heilige Antonius von Padua” gar habe zeitweise wegen „Religionsfrevel und Pornografie” in verschiedenen Ländern auf dem Index gestanden. Dazu gab Neyer dem interessierten Publikum Hinweise auf die Bedeutung der in Buschs Gemälden immer wieder kehrenden Rotjacken und zu dessen stark autobiografischen Prosatext „Der Schmetterling” - immer mit Bezug auf Ausstellungsinstallationen im Busch-Museum in Hannover. Foto: privat.
Hans-Joachim Neyer (links) im Busch-Geburtshaus.