Wie schnell und überraschend der Mauerfall und die Deutsche Einheit kamen, das schilderte dann Dr. h.c. Rudolf Seiters. Er war als Chef des Kanzleramtes in Nachfolge von Wolfgang Schäuble Bundesminister für besondere Aufgaben und bei Übernahme seines Büros im April 1989 dachte noch niemand daran, was sich zum Ende des Jahres in der DDR durch den friedlichen Drang der Menschen nach Freiheit ändern werde. Drei besondere Daten hätten dann die Wiedervereinigung Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg eingeleitet. Am 30. September 1989 stand Dr. Seiters hinter Außenminister Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft. 5.000 Menschen hatten sich dort in die Botschaft geflüchtet und als Genscher die Ausreisegenehmigung verkündete, da brach großer Jubel aus. Am 9. November folgt dann die totale Öffnung der deutsch-deutschen Grenze nach chaotischen Beratungen in den DDR-Gremien und der legendären Pressesitzung mit Günter Schabowski als Sekretär des ZK der SED. Er verkündete quasi die Reisefreiheit der Menschen der DDR und auf Nachfrage: „Das tritt nach meiner Kenntnis...ist das sofort, unverzüglich.” Ein Satz, der unvergessen bleibt, fiel doch in Folge davon die Berliner Mauer. Der nächste Termin war dann der 19. Dezember. Und hier, so Dr. Seiters, habe er erstmals die Erkenntnis erlangt, dass es eine Deutsche Einheit geben werde: „Am 19. Dezember sprach Bundeskanzler Helmut Kohl als Staatsgast der DDR in Dresden vor den jubelnden Menschen und bekannte sich zur Deutschen Einheit.” Noch heute, so Dr. Seiters, sei der friedliche und unblutige Einigungsprozess ein Wunder für ihn.
Von da an musste alles schnell gehen. Der Deutsche Staatsvertrag musste eine Vielzahl von Problemen berücksichtigen und noch heute wiege die ökologische und ökonomische Erblast schwer. Die Frage „Wann ist die Deutsche Einheit vollendet?” sei keine Frage von einer Generation: „Allerdings haben wir bereits viele Erfolge zu verzeichnen.” Ein Vergleich stellte den Weg der Deutschen Einheit besonders gut dar: „Es war, als wenn man knietief im Wasser eines Hochmoores steckt, Nebel behindert die Sicht, irgendwo gibt es einen Weg, doch niemand weiß genau wo und wie. Langsam tastet man sich voran und erreicht irgendwann das Ziel.”
Ingeborg Schumer vom Hospizverein Rinteln dankte am Ende Dr. Seiters für seinen lebhaften Vortrag und die Big Band des Gymnasium unterhielt die Gäste mit erfrischender Musik. Am Ende konnte dann noch in kleinen Gesprächsrunden diskutiert werden. Dr. Seiters ließ es sich am nächsten Tag auch nicht nehmen, mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasium Ernestinum ins Gespräch zu kommen. Für sie ist die Deutsche Einheit Geschichte, kennen sie doch durchgängig keine andere Lebenswirklichkeit als 16 deutsche Bundesländer. Foto: ste