Es geht um den 1650 geborenen Johann Anthon Coberg. Als Organist und Komponist genoss er nicht nur am hannoverschen Hof hohe Achtung. Mehrmals war er für Monate im preußischen Königshaus zu Gast. Er gab alten Partituren neue Akzente und stieß damit auf Aufmerksamkeit bei keinem Geringeren als Johann Sebastian Bach. Bislang wurde angenommen, Coberg sei in Rotenburg/Fulda geboren. Das geht auf den Autor Johann Matheson zurück, der 1740 wörtlich vermerkte: „Johann Anthon Coberg ist An. 1650 im Städtlein Rotenburg, an der Fulda, zur Graffschaft Schauenburg, niederhessischen Antheils, gehörig, auf diese Welt gebohren. Sein Vater ist desselben Ortes Bürgermeister gewesen.” Kenner erkannten sofort den Widerspruch in diesen Zeilen: Entweder ging es wirklich um Rotenburg/Fulda; dann stimmte der Hinweis auf die Grafschaft nicht. Oder es handelte sich um das hiesige Rodenberg, dann irrte Matheson bei Schreibweise und dem dem Ort zugeordneten Fluss. Doch das war zuvor niemand aufgefallen. Die nordhessische Kleinstadt verehrte ihn, ließ erst vor wenigen Jahren noch ein Denkmal errichten und verwies vielfach auf den vermeintlichen Sohn aus ihren Mauern. Doch der Akribie dreier Rodenberger sind nun die neuen Erkenntnisse zu verdanken. Den Anstoß dazu gab der in Wunstorf lebende Musikdozent Arno Paduch. Dieser bereitet ein für 2022 geplantes Konzert der „Rodenberger Kulturkirche” vor, in dem er mit einem Ensemble eines der kirchenmusikalischen Werke Cobergs aufführen wollte. In diesem Zusammenhang entdeckte Paduch Matthesons Zeilen – und den darin enthaltenen Widerspruch. Über Buchhändler und Kulturkirche-Mitorganisator Lars Pasucha wurde der Kontakt zu Rudolf Zerries, Hubert Finger und Joachim Siebold hergestellt. Diese machten sich umgehend an die Arbeit. Sie setzten beim zweiten Satz Mathesons an – den Verweis auf das Bürgermeisteramt des Vaters. Finger fand dazu in den Rotenburger Kirchenbüchern, die bis auf das Jahr 1631 zurückgehen, nichts: Es gab keinen „Coberg”. In Rodenberg dagegen ist dieser Familienname vielfach belegt. So findet sich unter dem 17. März 1678 der Eintrag über Tod und Beerdigung von „Bürgermeister Henricus Coberg”. Auch Bruder und Schwester von Johann Anthon sind belegt. Dass dessen Geburt und Konfirmation sich nicht finden ließen, ist den Wirren der Zeit geschuldet: Rodenbergs Kirchenbücher haben sich erst seit 1665 erhalten. Endgültige Klarheit aber schuf eine Leichenpredigt für Johann Anthons Sohn Bernhard Heinrich, in der der Großvater als „Bürgermeister zum Rodenberge im Heßischen” genannt wurde. Damit war der Nachweis erbracht: Coberg musste aus der Deisterstadt stammen. Aber wie würde sich angesichts dieser Faktenlage wohl die Stadt Rotenburg jetzt aufstellen, die ja nun mit diesem berühmten Namen für sich warb. Zerries schlug den Verantwortlichen einen „kulturhistorischen Diskurs” vor, um der Angelegenheit nachhaltig auf den Grund zu gehen. Denn es hätte ja sein können, dass sich die hiesigen Forscher in einem entscheidenden Punkt geirrt hätten. Doch die Stadt lenkte rasch ein. Die Argumente seien „so plausibel und nachvollziehbar, dass man … die Ansprüche ohne Widerstand aufgibt”, hieß es in der Lokalzeitung. Umgehend wurde damit begonnen, dortige Publikationen zu ändern. Auch die an der Bronzeskulptur angebrachte Tafel mit dem Hinweis auf Coberg verschwand. Und in der Online-Enzyklopädie „Wikipedia” ist bereits als Geburtsort Rodenberg vermerkt, wenn auch (noch) mit der Einschränkung „vermutlich”. Auf jeden Fall ist dem Journalisten Julius Reuter, dem Dichter Julius Rodenberg und dem Maler Wilhelm Zahn nun eine weitere bedeutende Persönlichkeit Rodenbergs hinzuzufügen. Bleibt abzuwarten, wie nun die Museumslandschaft Amt Rodenberg mit dem unverhofft aufgetauchten prominenten Mann umgehen und sein Andenken wahren wird. Einfach dürfte es nicht sein. Denn es existiert kein Bild von ihm. 
Foto: al/rz