Im Frühjahr landen viele junge Vögel und Eichhörnchen irrtümlicherweise in Wildtierauffangstationen oder Tierkliniken. Dr. Florian Brandes, Leiter der Wildtier- und Artenschutzstation in Sachsenhagen, erklärt, dass oft Menschen, die glauben, ein allein sitzender Vogel sei verlassen, ihn einsammeln. Dabei verursachen sie unbeabsichtigt ein neues Problem. Junge Vögel sind in der Regel nicht verloren; die Elterntiere sind in der Regel in der Nähe, verstecken sich jedoch, um ihre Brut vor menschlicher Nähe zu schützen. Während der sogenannten Ästlingsphase, in der die Vögel bereits stark befiedert sind, verlassen sie das Nest, sind aber noch nicht vollständig flugfähig. Diese Phase ist wichtig für die Entwicklung, und das Verlassen des Nests gehört zu ihrem natürlichen Verhalten.

Ähnliches gilt für junge Eichhörnchen, die beginnen, ihre Umgebung zu erkunden. Es kann vorkommen, dass ein Jungtier aus dem Nest fällt, jedoch sind die Elterntiere in der Lage, ihre Jungen zurück in den Kobel zu holen. Professor Dr. Michael Pees von der Klinik für Heimtiere, Reptilien und Vögel der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover betont, dass unverletzte Jungvögel und Eichhörnchen am besten dort gelassen werden, wo sie gefunden wurden. Selbst mit menschlicher Pflege haben sie oft geringere Überlebenschancen als bei der Aufzucht durch die Eltern. Hilfe sollte nur in Anspruch genommen werden, wenn Tiere verletzt sind oder wenn nach längerer, ruhiger Beobachtung sicher ist, dass sie tatsächlich von ihren Eltern verlassen wurden.

Dr. Kirsten Görlich, Sachgebietsleitung Veterinärwesen der Landeshauptstadt Hannover, weist darauf hin, dass die Entnahme von Jungtieren aus der Natur eine wohlüberlegte Ausnahme bleiben sollte. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ist es illegal, geschützte Tiere wie Vögel, Igel und Eichhörnchen aus der Natur mitzunehmen. Wildtiere dürfen nur entnommen werden, wenn sie krank oder verletzt sind. Ab diesem Zeitpunkt liegt die Verantwortung für das Tier, einschließlich der finanziellen Verantwortung, bei der Person, die es mitgenommen hat. Ein staatlich finanziertes System zur Versorgung verletzter Wildtiere existiert nicht. Nach der Genesung müssen die Tiere schnellstmöglich wieder in die Freiheit entlassen werden. Insbesondere bei streng geschützten Arten, wie beispielsweise Weißstörchen oder Feldhamstern, ist es erforderlich, die Untere Naturschutzbehörde unverzüglich zu informieren.

Für den richtigen Umgang mit vermeintlich verlassenen Jungtieren gilt, dass ein sicherer Abstand gewahrt werden sollte, damit die Elterntiere die Möglichkeit haben, zurückzukehren. Bei Verdacht auf Verletzungen sollte mehrere Stunden beobachtet werden, bevor Maßnahmen ergriffen werden. Jungtiere, die nicht offensichtlich krank sind, sollten besser in Ruhe gelassen werden. Nur Tiere, die eindeutig verletzt oder krank sind, sollten in eine Tierarztpraxis oder Pflegestelle gebracht werden. Die Überlebenschancen sinken, wenn sie aus ihrer natürlichen Umgebung entfernt werden; es ist ratsam, die Natur ihren Lauf nehmen zu lassen, auch wenn dies in Einzelfällen bedeutet, dass ein Jungtier Opfer anderer Tiere werden kann.

Sofern die Tiere auf der Straße befinden, sollten sie vorsichtig an den Rand, zu Hecken oder Bäumen gesetzt werden. Bei der Vermutung, dass ein Tier verletzt ist, sollte zunächst telefonischer Kontakt mit einer Tierarztpraxis oder einer Pflegestelle aufgenommen werden. Wenn keine Fachstellen erreichbar sind, besteht die Möglichkeit, die lokale Feuerwehr unter der Nummer 112 zu kontaktieren, da viele Feuerwehren spezielle Tierrettungseinheiten eingerichtet haben.

Es ist wichtig zu betonen, dass Wildtiere keine Haustiere sind. Respekt vor der Natur und die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Wildtieren sind entscheidend. Einmal aus ihrer natürlichen Umgebung entnommene Jungtiere erleben großen Stress, und Fehlprägungen auf den Menschen können zu einem lebenslangen Leiden führen. Fachleute in Tierarztpraxen und Pflegestellen sind in der Lage, die Behandlungsmöglichkeiten und Überlebenschancen von Tieren objektiv einzuschätzen. Nicht jedes verletzte Tier kann gerettet werden, und wenn eine Rückkehr in die Natur nicht möglich ist, könnte es tiergerechter sein, das Tier einschläfern zu lassen.