Dabei darf „Abweisen“ jedoch nicht falsch verstanden werden: Niemals wird eine Frau, die um Hilfe fragt, im Regen stehen gelassen. Vielmehr gehen dann, wenn es keinen Platz im regionalen Frauenhaus gibt, die großen Telefonate los, denn dass Netz an umliegenden Frauenhäusern wird akquiriert und abgefragt, wo denn noch ein passender Platz für eine Schutzsuchende frei wäre. Doch auch diese Suche gestaltet sich immer schwieriger, denn die Kapazitätsprobleme ziehen sich durch ganz Deutschland. In Hannover gibt es noch eine 24-Stunden-Noteinrichtung, in der Frauen für vier Tage unterkommen können, doch natürlich soll eine langfristige Lösung her, die den Betroffenen einen Raum bieten, zur Ruhe zu kommen von dem Erlebten. Auch Möglichkeiten, im Freundes- oder Bekanntenkreis unterzukommen, werden gemeinsam erörtert. Falls Betroffene in einer bestimmten Region in Deutschland Familie oder Freunde haben, wird auch versucht, dort einen Platz in einem Frauenhaus zu bekommen.

Bis zu drei Anfragen am Tag
Und der Bedarf ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen: 2022 haben allein in Schaumburg 52 Frauen und 68 Kinder Schutz im Frauenhaus gesucht. „Pro Tag bekommen wir bis zu drei Anfragen – erst heute haben wir zwei bekommen“, erklärt Sabine Fischer, Trauma-Pädagogin und dienstälteste Mitarbeiterin im Frauenhaus. „Es ist gut, dass das Tabu nicht mehr so groß ist und die Frauen sich trauen, aber ich glaube, dass wir noch immer an der Spitze des Eisbergs kratzen“, sagt AWO-Kreisverbands-Geschäftsführerin Heidemarie Hanauske.
Die AWO, die seit 1986 Träger des Frauenhauses in Schaumburg ist, hat die Kapazitätsproblematik bereits früh und ausdrücklich der Politik und dem Kreistag geschildert – mit Erfolg, wie sich Hanauske und Fischer zurückerinnern. So folgte relativ schnell 2020 ein politischer Beschluss zur Finanzierung und die Frauenhaus-Erweitung konnte in die Wege geleitet werden. Eine Erweiterung am Bestandshaus war nicht möglich, sodass eine neue Immobilie gefunden werden musste. Im November 2022 konnte die Erweiterung eröffnet werden und ist seitdem auch stark frequentiert. Zu den vorher vorhandenen acht Plätzen sind so weitere vier hinzugekommen. Die Frauen und Kinder haben dabei ein Zimmer für sich und teilen sich Küche, Bad und Gemeinschaftsraum mit den anderen Bewohnerinnen. Dabei unterscheiden sich die Aufenthalte der Frauen und Kinder oft in ihrer Länge – manche bleiben nur einige Tage, mache Wochen oder gar Monate. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt drei Monate. Langfristiges Ziel ist immer, den Betroffenen unter die Arme zu greifen, Hilfsangebote zu vermitteln und auch bei der Wohnungssuche zu helfen, damit sie in ein neues Leben ohne den gewalttätigen Partner starten können. Doch hier zeichnet sich das nächste Problem ab, denn die Wohnungssuche gestaltet sich immer schwieriger, wie Fischer und Hanauske berichten. Daher bleiben die Räumlichkeiten inzwischen auch länger belegt.

In geregelten Alltag zurückfinden
Auch bei dem Beantragen sozialer Leistungen, dem Kontakt mit dem Jugendamt und dem Erlernen eines geregelten Alltags helfen die im Frauenhaus arbeitenden sechs Sozialarbeiter und Sozialpädagogen. „Die ersten Tage befinden sich manche in einer Schockstarre und müssen das Erlebte zunächst verarbeiten. Dabei unterstützten wir sie und vermitteln wenn nötig eine psychosoziale Beratung. Wir führen Gespräche mit den Frauen und den Kindern und helfen ihnen auf dem Weg, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wir wollen ihnen zeigen: Du hast die volle Entscheidungskraft. Nach dem Motto: Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärt Fischer. Doch selbst nach dem Bezug einer eigenen Wohnung werden die Frauen, wenn sie es wünschen, nicht allein gelassen – die Frauenhaus-Mitarbeiter vermitteln etwa auf Wunsch eine Familienhilfe von Jugendamt.

24-Stunden erreichbar
In der Sozialarbeit rücken auch immer mehr die Kinder in den Fokus: „Wir bringen ihnen bei, dass sie auch 'nein' sagen dürfen. Zudem lernen sie auch das soziale Grundlagen für das Miteinander, was in einem gewalttätigen Haushalt oft zu kurz kommt, und, wie sie mit Streitigkeiten umgehen und sich bei Gewaltvorfällen richtig verhalten. Die Kinder denken oft, sie sind schuld, dieses Päckchen versuchen wir ihnen zu nehmen“, erläutern Hanauske und Schneider. „Gewalt ist dabei unabhängig vom Alter, der Herkunft und Einkommen“, weiß Hanauske. „Die Frauen kommen aus allen Bevölkerungsschichten, denn Gewalt herrscht überall“. Gerade deswegen ist das Frauenhaus auch 24 Stunden am Tag, sieben tage die Woche erreichbar. Hilfesuchende können sich unter der 05721.3212 melden und erreichen entweder einen Mitarbeiter des Frauenhauses oder einen Mitarbeiter der Polizei, die dann alles Notwendige in die Wege leiten.

Bulli gesucht
Wenn sich die Verantwortlichen etwas wünschen könnten, waren dass zunächst mehr Kindergartenplätze und Kinderärzte, denn beides ist in der Region ein knappes Gut. „Gerade diese traumatisierten Kinder brauchen eine derartige Struktur wie im Kindergarten“, weiß Fischer. Häusliche Gewalt ist in jedem Kontext schlecht für die Kinder und sie leiden darunter“. Daher werden sie auch regelmäßig mit Kinderaktionen, Kinderversammlungen und Ausflügen auf andere Gedanken gebracht. Hierfür hat das Frauenhaus einen großen Wunsch: Einen Bulli oder Caddy, der für die Ausflüge und auch die Abholfahrten der Frauen genutzt werden können – hierfür müssen nämlich oft die Privat-PKWs der Mitarbeiter herhalten. „Vielleicht findet sich ja ein Autohaus oder ähnliches in der Region, dass uns ein Fahrzeug sponsern würde“, hofft Hanauske. Finanziell ist das Frauenhaus soweit gut aufgestellt, die rund 500.000 Euro Personalkosten werden, mit Zuschuss in Höhe von 142.000 Euro vom Land Niedersachsen, vom Landkreis getragen. Aktuell ist eine halbe Sozialarbeiter/ Sozialpädagogen-Stelle noch zu besetzen. Die weiteren Ausgaben werden über Spenden finanziert - „davon bekommen wir viele, was sehr hilfreich ist“, stellt Hanauske fest. Foto:nh