In dieser Woche konnten wir erleben, wie Verantwortung weitergegeben wurde: Am Montag verabschiedete sich Stephan Weil von seinem Amt als Ministerpräsident mit einem Empfang und anschließendem kleinen Zapfenstreich. Am Dienstag durfte ich von der Tribüne des Landtags aus die Wahl von Olaf Lies zum neuen Ministerpräsidenten verfolgen. Der eine wurde mit langem Applaus verabschiedet, der andere mit ebenso langem Applaus begrüßt. Wie großartig, dass es in unserer Demokratie geregelte und selbstverständliche Verfahren gibt, die einen solchen Wechsel reibungslos möglich machen.
Amtsübergaben haben etwas von einem Staffellauf: Einer läuft mit voller Kraft, hält den Stab fest in der Hand – aber der entscheidende Moment kommt am Ende seines Abschnitts. Dann geht es nicht mehr ums Laufen, sondern ums Weitergeben. Und darum, ob der Nächste bereit ist, den Stab zu übernehmen.
Solche Momente kennen wir auch in unserem Leben – in der Familie, im Beruf, in der Nachbarschaft, im ehrenamtlichen Engagement. Man hat etwas aufgebaut, sich angestrengt, vieles gelernt, Verantwortung getragen. Aber irgendwann stellt sich die Frage: Wen kann ich einbeziehen in das, was mir wichtig geworden ist? Wer kann weitermachen – und vielleicht sogar neue Wege gehen? Ein Satz aus einem sehr alten Brief bringt diesen Gedanken auf den Punkt. Der Apostel Paulus schreibt an seinen jungen Weggefährten Timotheus: „Was du von mir gehört hast, das vertraue verlässlichen Menschen an, die wiederum andere unterweisen können.“
Dahinter steckt eine Haltung: Nicht festhalten, sondern teilen. Nicht alles selbst machen wollen, sondern andere befähigen. Das braucht Vertrauen – in Menschen und in den Gedanken, dass das, was wir weitergeben, auch in anderen Gestalt gewinnen kann. Und das ist oft gar nicht so leicht. Wir kennen die Zweifel: Wenn ich es nicht mache, macht es keiner. Ich kann das doch am besten. Was, wenn es schiefgeht? Solche Gedanken kommen uns schnell.
Aber echte Verantwortung heißt nicht, alles allein zu tragen – sondern gemeinsam weiterzugehen. Manchmal bedeutet das, loszulassen, ohne gleich zu wissen, was daraus wird. Aber oft wächst gerade dann etwas Neues.
Es geht nicht darum, perfekt zu sein oder alles unter Kontrolle zu haben. Sondern um Verlässlichkeit, Lernbereitschaft und Vertrauen in andere. So entstehen Teams, die halten. Beziehungen, die tragen. Und Gemeinschaften, die wachsen.
Mancher ist vielleicht gerade in der Rolle der oder des Tragenden – müde vom vielen Tun, vom Durchhalten. Andere gehören zu denen, die bereit sind, mehr zu übernehmen, sich einzubringen, Verantwortung zu wagen. Beides braucht Mut – und Zuspruch.
Wo auch immer wir stehen: Wir müssen es nicht allein schaffen. Wir müssen nicht perfekt sein, um etwas Wertvolles weiterzugeben oder neue Aufgaben zu übernehmen. Manchmal beginnt alles mit einem einfachen Schritt: Vertrauen wagen – auf die Menschen um uns herum und auf Gott, der uns in den Veränderungen begleitet.