Meine Freundin Sonja schwört auf den „Nordsee-Effekt“.
Meine Freundin Sonja schwört auf den „Nordsee-Effekt“.
Sie schwärmt vom Reizklima und vom Meerwind und ist überzeugt: ein paar Tage an der Küste wirken wahre Wunder. Ich finde, sie hat recht. Auch ich war am letzten Wochenende an der Nordsee und habe mich vom Wind durchpusten lassen, dem Rauschen der Wellen gelauscht, die nackten Füße im Sand, diese unfassbar gute Luft eingeatmet mit ihrem betörenden Duft nach Salz und See und diese unendliche Weite auf mich wirken lassen. Ein Tag am Meer genügt und alles in mir ist wie verwandelt: leichter, gelassener und wie aufgeladen mit neuer Energie. Die ganze Erschöpfung und Energielosigkeit, Sorgen und schlechte Laune wie vom Meerwind weggeblasen. Das Meer hat verwandelnde Kraft, definitiv.
Warum erzähle ich Ihnen das? Weil wir an diesem Sonntag Pfingsten feiern und mich meine jüngste Erfahrung mit dem „Nordsee-Effekt“ an die Kraft des Heiligen Geistes erinnert.
Wir Christinnen und Christen glauben und erfahren, dass wir Kraft von außen aufnehmen können und dass uns das verwandelt. Und wenn ich so um mich blicke, habe ich das Gefühl, das könnte ein relevantes Thema sein.
Für die Bibel ist „Kraft“ ein sehr wichtiger Begriff. Sie verwendet verschiedene Wörter dafür. Das am häufigsten vorkommende Wort, dýnamis, kommt allein im Neuen Testament 118 Mal vor.
„Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird,“ wird den Jüngern und Jüngerinnen Jesu gesagt. (Apg 1,8) Sie sollen warten, bis sie mit der „Kraft aus der Höhe erfüllt“ werden. (Lk 24, 49) - Und dann kommt diese Kraft über sie, am Pfingsttag: wie ein Wind, wie ein Sturm, der alles durchpustet, so erzählt es die Bibel. Und danach ist alles anders. Alle Ängste, die sie zuvor noch fest im Griff hatten, sind wie weggeblasen, z.B. die sehr berechtigte Angst, von den Römern ebenso hingerichtet zu werden wie gerade ihr Lehrer Jesus.
Da ist etwa Petrus, einer, der zum engsten Kreis um Jesus zählt. Bisher war er jemand, der zwar furchtbar gern mutig und entschlossen wäre, aber immer wieder scheitert er an seiner Angst. Er gerät er in Panik, immer wenn es ernst wird. Nach der Begegnung mit der „Kraft aus der Höhe“ wirkt er plötzlich wie gereift, wird zu einer Führungspersönlichkeit. Mit großer Entschlossenheit und innerer und äußerer Klarheit geht er auf die Straße, spricht zu den Leuten, heilt Kranke und lässt sich auch durch Bedrohung und physische Gewalt durch die Mächtigen nicht irritieren. Und ähnlich ergeht es auch den anderen Männern und Frauen, die damals in der Jesusnachfolge unterwegs waren. Sie empfangen göttliche Kraft und es verwandelt sie – nachzulesen in der „Apostelgeschichte“.
Ich weiß nicht, ob Sie dieser verwandelnden Kraft des göttlichen Geistes schon einmal begegnet sind? Glaubende Menschen begegnen ihr im Gebet. Im Gebet öffnen sich Menschen für diese Kraft. Die mittelalterliche Nonne und Mystikerin Mechthild von Magdeburg hat es erlebt und beschreibt diese Erfahrung mit den Worten: „Das Gebet macht ein verbittertes Herz süß, ein trauriges froh, ein armes reich, ein törichtes weise, ein zaghaftes kühn, ein schwaches stark, ein blindes sehend. Es zieht den großen Gott in das kleine Herz. Es treibt die hungrige Seele hinauf zum Gott der Fülle.“
Das wäre dann der Nordsee-Effekt für die Seele: ich begebe mich innerlich an den Strand und lasse es zu, vom Meerwind des göttlichen Geistes durchgepustet, mit Kraft aufgeladen und verwandelt zu werden.
Ich wünsche Ihnen ganz herzlich frohe Pfingsten und, wenn Sie das möchten, diese Erfahrung mit dem Geist Gottes. Foto: Nico Herzog / Service Agentur der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers