Die Geschichte hört sich an wie das Drehbuch eines Krimis: Von der eigenen Tochter des Mordes beschuldigt, weil die Mutter im Sterbebett mit den Worten „Dein Vater hat etwas Schlimmes getan” entschlief.
Im Mai diesen Jahres brach eine Baufirma auf Anordnung der Staatsanwaltschaft für rund 23.000 Euro die Asphaltdecke an der Riepacker Straße (das Schaumburger Wochenblatt SW berichtete) auf, um nach den Knochen eines vermissten Mädchens zu suchen. Ein sogenannter Geo-Radar hatte im Vorfeld auf unzulässige „Gegenstände” unter der bituminösen Deckschicht angeschlagen. Als Angelika I. 1968 auf mysteriöse Weise verschwand, wurden dort gerade Kanalarbeiten durchgeführt. Eine eventuelle Leiche hätte zu diesem Zeitpunkt leicht unter der Erde verscharrt werden können. Doch in den drei Meter tiefen Erdlöchern kamen keine Hinweise zum Vorschein: Bis heute ist ungeklärt, ob es sich bei dem Verschwinden von Angelika I. um einen Mord handelt, oder ob sie ihren Wohnort freiwillig und ohne Rücksprache zu halten, verlassen hat. Hauptverdächtiger war anfangs der nun schon längere Zeit verstorbene Herr I., der Cousin von Herrn B. . Der damals 15-jährige Sohn hatte die schwere Last der Anschuldigungen an seinen Vater nicht tragen können und beging Selbstmord. Dem psychisch sehr labilen Herrn B. ergeht es nicht anders. Zwei Suizidversuche hat er bereits hinter sich. Schon lange vor der Beschuldigung lag der 74-jährige mit seiner Tochter und der Ehefrau im Streit um das liebe Geld. Durch einen Anruf der Tochter des Herrn B. bei der Polizei im April 2009 in stark alkoholisiertem Zustand, wurden die Ermittlungen im Fall Angelika I. wieder aufgenommen. Ausgerüstet mit kugelsicheren Westen stürmten Polizeibeamte das Haus des 74-jährigen und durchsuchten es akribisch. Gefunden wurde eine Uhr, die der 16-jährigen angeblich gehört haben soll. Auf Nachfrage im Bekanntenkreis der Vermissten gaben diese allerdings an, dass das junge Mädchen keine derartige Armbanduhr besessen habe. Herr B. wurde zum Verhör ins Polizeikommissariat in Nienburg gebracht. Nach Prüfung der Sachverhalte war sich die Staatsanwaltschaft einig, dass das Verfahren aufgrund nicht vorhandenen Tatverdachts eingestellt wird. Im Klartext heißt das für Herrn B., das an den Anschuldigungen gegen ihn nichts dran ist, erklärt der Strafverteidiger Reiner Wötzel gegenüber dem SW. Wenn es um Geld geht, hört der Spaß bekanntlich auf. Und wenn dann noch Alkohol mit im Spiel ist, wird vieles unglaubwürdig. Doch Anzeige gegen die Tochter des Herrn B. kann Rechtsanwalt Wötzel nach eigenen Angaben nicht stellen. „Sie würde sich immer auf die Worte ihrer Mutter berufen”, sagt der Anwalt für Strafrecht. Juristisch gibt es laut Wötzel keine Möglichkeit zu beweisen, dass die Tochter gelogen hat. Aus einigen Quellen werde allerdings behauptet, dass Herr B.´s Tochter nie am Sterbebett ihrer Mutter gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Todes lag die Ehefrau im Krankenhaus und habe außer einem der Söhne, niemanden über ihren Klinikaufenthalt informiert. Wahr ist jedoch, dass die Familie B. seit Jahren im Clinch liegt: Es hat nie ein familiäres Verhältnis zwischen Vater, Mutter und Tochter gegeben. Er werde jetzt prüfen, ob wirklich ordnungsgemäß ermittelt wurde und ob eventuelle Falschaussagen gemacht worden sind, so Wötzel. „Ich möchte Herrn B. endgültig entlasten und den tatsächlichen Schuldigen finden”, sagt der Strafrechtler überzeugt von dessen Unschuld.
Das Verschwinden der Angelika I. ist bei den Helpsern seit 43 Jahren unvergessen und wird es auch bleiben, so lange kein Täter gefunden ist. Auch die Anschuldigungen an Herrn B. verfestigen sich in den Köpfen der Bürger. Fraglich ist nur, ob es sich lohnt das Leben eines Menschen mit verachtendem Gerede zu zerstören, wenn seine Schuld nie bewiesen wurde.
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