Rund 125 Menschen aus ganz Schaumburg sind Mitglieder des Alevitischen Kulturzentrums Stadthagen. Auch wenn sich die Gemeinschaft regelmäßig etwa beim „FisKuss” oder beim „Picknick im Park” engagiert und die überwiegende Mehrzahl ihrer Mitglieder seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, weiß die Mehrheit der Schaumburger Bürger doch eher wenig über die Aleviten. Ihre Glaubensvorstellungen unterscheiden sich in vielen Bereichen von der Auslegung des Islam durch die sunnitischen und schiitischen Muslime. Das Kulturzentrum will sich jetzt noch gezielter in der Öffentlichkeit präsentieren und die Menschen über ihren Glauben und ihre Kultur aufklären.
„Man trifft immer noch auf viele Vorurteile”, erklärte Hülya Songün, stellvertretende Vorsitzende des Alevitischen Kulturzentrums Stadthagen, im Pressegespräch. Oft herrsche das Bild von der ungebildeten Migranten in der Öffentlichkeit vor, das dann unreflektiert auf alle Einwanderer und deren Nachfahren übertragen werde. Dabei würde übersehen, wie viele von ihnen, gerade auch in der alevitischen Gemeinschaft, die deutsche Sprache perfekt beherrschen und im Wirtschaftsleben ihren Mann und ihre Frau stehen, oftmals in führender Position oder als Unternehmer. Auch die Kinder seien in der Schule Vorurteilen und Ausgrenzungserfahrungen ausgesetzt. Hülya Songün appellierte hier an die Sensibilität der Menschen und forderte auf, Schubladendenken zu hinterfragen. Im Rahmen der Integrationspolitik seien noch viele Anstrengungen zu unternehmen, die Mehrheitsgesellschaft müsse stärker auf die Migranten zugehen.
Gleichzeitig betonte sie, dass sich die Aleviten bewusst zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik bekennen. „Ich liebe Deutschland”, hielt Hülya Songün fest. Für sie, wie für viele Mitglieder der Gemeinde sei das Land mit seinen Menschen zur Heimat geworden.
Im alevitischen Glauben spielen Ideale wie Nächstenliebe, Weltoffenheit, das Streben nach Bildung und Erkenntnis eine entscheidende Rolle, bilden die Basis eines humanistischen, an der Aufklärung orientierten Weltbildes. Die Menschenrechte, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie religiöse Toleranz seien für die Aleviten entscheidende Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben. Nicht zuletzt aus der Erfahrung der Unterdrückung über Jahrhunderte, wüsste die alevitische Gemeinschaft den Wert des Grundgesetzes und der pluralistischen Gesellschaft in der Bundesrepublik zu schätzen, so Hülya Songün.
Der alevitische Glaube sieht eine wörtliche Auslegung des Islam nicht vor, ebenso wenig eine dogmatische Ausführung der Rituale. Das Fastengebot, Speiseverbote, oder das Ritualgebet, die für Sunniten und Schiiten eine wichtige Rolle spielen, sind für die Aleviten nicht vorgeschrieben. Diese Unterschiede würden auch zu Vorurteilen bei manchen sunnitischen und schiitischen Muslimen führen.
Das Alevitische Kulturzentrum hofft, Klischees und Ressentiments sowohl bei christlich geprägten Bürgern als auch bei den anderen Muslimen durch Aufklärung abbauen zu können. So will sich die Gemeinschaft in Zukunft mit einem Tag der offenen Tür, Vorträgen, eventuell mit einem öffentlichen Gottesdienst oder durch die Vorstellung bei Parteien, Vereinen und Verbänden öfter präsentieren und über ihre Arbeit informieren.