Nur der Aufmerksamkeit der Verwalterin des Geländes ist es zu verdanken, dass nicht eine mehr als doppelt so große Menge ablief. Dann wären nach Expertenmeinung sogar der Unterlauf der Aue und möglicherweise sogar ein Stück der Leine betroffen gewesen. So aber waren die Folgen des Sabotageakts rechtzeitig bemerkt und sofort Maßnahmen ergriffen worden. Während allein drei Millionen Liter kontaminiertes Wasser auf umliegenden Ländereien ausgebracht worden ist und die unkontrolliert abgeflossene Gülle-Welle die hiesigen Bachläufe weit hinter sich gelassen hat, haben zur Wochenmitte weitere Untersuchungen über die Schädigung des Naturhaushalts begonnen. Dabei bestätigte sich: Alles Leben im Gewässer ist tot. Noch am Freitagabend seien an einer vom hiesigen Fischereiverein betreuten Messstelle in Rodenberg „die Werte total im Keller” gewesen, berichtete Gewässerwart Benno Fierdel. Dem Geschäftsführer Frank Faber vom Unterhaltungsverband West- und Südaue liegen Messwerte vom Wochenende vor, nach denen 3,5 Milligramm Sauerstoff in jedem Liter Wasser enthalten waren. Normal sind 9,5 Milligramm.
Bei einem Ortstermin an der Einmündung des Pohler Bachs in die Rodenberger Aue bei Lauenau mit Vertretern von Aueverband, Landkreis und Fischereivereinen mussten die Teilnehmer nicht lange suchen. Tote Bachforellen dümpelten mit weit geöffneten Mäulern im Wasser sowie mehrere „Mehlkoppen”, die eigentlich als guter Indikator für intakte Bachläufe stehen, lagen bäuchlings auf dem Grund.
Für Faber ist es der Fischverlust nicht allein. Die komplette Nahrungskette von den Kleinstlebewesen im Wasser bis hin zu den am Ufer lebenden Tieren sei unterbrochen. So trifft das Aus auch Eisvogel und Wasseramsel, deren Tisch in den naturnahen Bereichen bislang reich gedeckt gewesen ist. Faber sieht das Bemühen seines Verbands durchkreuzt: Gerade erst waren mit erheblicher Unterstützung des Landkreises Schaumburg Mittel in eine Renaturierung von Teilen der Rodenberger Aue in ihrem nördlicheren Abschnitt geflossen. Nun muss geradezu ohnmächtig mit angesehen werden, wie das Gewässer an seinem Oberlauf massiv geschädigt worden ist.
Bei Mitarbeiter Uwe Mätje von der Unteren Wasserbehörde des Landkreises Schaumburg laufen gegenwärtig alle Informationen zusammen. Die Mitglieder der Fischereivereine beziehungsweise die Abschnittspächter nehmen ebenso Kontrollen und Proben vor wie der in seinem Betrieb geschädigte Eigentümer, der durch ein Hamelner Labor permanent den Zustand des Wassers aus Gräben, Meinser Bach und Aue untersuchen lässt.
Für den Aueverband hat noch am Dienstag Eckhard Caring vom südniedersächsichen Institut „Eco-Ring” seine Arbeit aufgenommen. Caring registrierte an der ersten Einlaufstelle der giftigen Fracht im Meinser Bach sowie in der Meinser Ortslage und an mehreren Abschnitten der Rodenberger Aue Sauerstoffgehalt und Schadstoffanteile und entnahm Wasser- und Sedimentproben. Der Experte aus Südniedersachsen kennt die Rodenberger Aue und ihre Zuflüsse bereits aus früheren detaillierten Untersuchungen zu Struktur und Zustand. Seine Ergebnisse dürften zur Bewertung beitragen, ob die Gülle bereits „mit der Welle durch” sind oder ob sich Teile in Bachbett und Uferbereiche abgelagert haben. Letzteres sei vor allem dort zu befürchten, wo sich Rückstaus bilden oder strömungsarme Zonen vorhanden sind. Dann bedürfe es „wenigstens drei bis vier Hochwässer”, um alle Schadstoffe wegzuspülen.
Während inzwischen auch die Staatsanwaltschaft die strafrechtlichen Untersuchungen begonnen hat, summieren sich allmählich die Kosten für den Gülleunfall. Ob sich aller entstandene Schaden jemals ausgleichen lässt, ist nicht abzusehen. Zwar werden zum Beispiel die Sportfischer den Verlust des von ihnen regelmäßig ausgebrachten Jungfischbesatzes rasch beziffern. Aber die Natur kann keine Rechnung über die Folgen der zerstörerischen Güllefluten schreiben. Für Faber ist der Gülle-Fall noch aus einem anderen Grund ärgerlich: „Da hat der Verband so viel für die Renaturierung gesorgt,” schimpft er, „und dann bekommt man so einen Schlag”.Foto: al