Kein anderes Thema erhitzt die Gemüter im Landkreis mehr, als das des Gesamtklinikums. Auf der einen Seite Bürger, die sich in ihrer Lebensqualität bedroht fühlen, auf der anderen Seite Ratsherren und eine Krankenhausgesellschaft die von wirtschaftlichen Interessen zum Wohle der Bergstadt motiviert werden. Beckmann, Fachmann für unter anderem Raumordnungs-, Umwelt- und Planungsrecht, hat sich mit der Thematik „Fläche F”, so wird der ausgewählte Standort für das Gesamtklinikum in der Vehler Feldmark in den Plänen betitelt, juristisch auseinandergesetzt. In seinem Rechtsgutachten stellte er fest: Die Änderung des Flächennutzungsplans, mit dem die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das Großklinikum geschaffen werden sollen, verstoßen gegen Ziele der Raumordnung des Landesraumordnungsprogramms und des regionalen Raumordnungsprogramms des Landkreises Schaumburg. Laut dem Rechtsanwalt gehört Obernkirchen samt Ortsteilen zu einem sogenannten Unterzentrum. Also ein Wohngebiet in dem ausschließlich die Grundversorgung der Menschen gewährleistet ist. Etwas größere Städte wie Stadthagen, Bad Nenndorf oder Bückeburg nennen sich Mittelzentren. Dort sind beispielsweise Berufsschulen, Fachärzte, Krankenhäuser und kulturelle Angebote angesiedelt. Zu den Oberzentren gehören Städte wie Hannover oder Braunschweig. „In ein Grundzentrum baut man kein Krankenhaus”, sagte Beckmann und sprach damit zumindest den Befürwortern der Bürgerinitiative und deren Mitglieder aus der Seele. Diese Grundsätze müsse auch Obernkirchen beachten. Festgelegte Vorsorgegebiete zum Schutz von Landschaft und Natur, seien erklärte Ziele der Raumordnung, die eingehalten werden müssen.
Bei der Abwägung seien die Belange von Natur und Landwirtschaft allerdings unzureichend berücksichtigt worden. Seines Fachwissens nach, können die Verantwortlichen ihre Pläne auch nicht gesetzlich rechtfertigen, da für die Ansiedlung eines Klinikums in der Vehler Feldmark keine gewichtigen städtebaulichen Belange angeführt werden können. Die Änderung verstoße demnach gegen die Pflicht der Stadt, ihre Bauleitplanung an Ziele der Raumordnung anzupassen. Er nannte dafür ein Beispiel aus dem Jahr 2009 im nordrheinwestfälischen Datteln: Dort wurde ein Kohlekraftwerk angeblich ohne gültige Baugenehmigung errichtet. Der Bau wurde gestoppt mit der Begründung, dass das Werk zu nah an Wohngebieten angrenze und der Standort gegen eindeutige Ziele der Raumordnung verstoße. Das gleiche Debakel könnte sich nach Angaben Beckmanns in der Vehler Feldmark ereignen. Für die Anhänger der Bürgerinitiative wäre auch gerade dies alles andere als erfreulich. In Betrieb nehmen dürfte die Klinik zwar niemand, aber der „Bauklotz” würde dennoch im Naturschutzgebiet stehen.
Eine Frage beschäftigte nach dem Vortrag aber sicher nicht nur diesen einen Zuhörer, der sich zu Wort meldete: „Und wie können wir das Ganze jetzt verhindern?” Da würde er den Falschen fragen antwortete Beckmann. Auch die Amtsleiter waren zu den Erklärungen des Rechtsanwaltes persönlich eingeladen gewesen: Bürgermeister Oliver Schäfer sei allerdings nach eigenen Angaben verhindert gewesen und Landrat Jörg Farr habe es laut Knickmeier „nicht für erforderlich gehalten zu erscheinen, da man seitens der Kreisverwaltung fest damit rechne, dass die BI eine Klage einreiche”. Eine Stellungnahme des Landkreises dazu, lesen Sie auf Seite 5.
Knickmeier und BI-Sprecherin Christina Steinmann zeigten sich dennoch zufrieden. Nach den Ausführungen des Rechtsanwaltes ist die Bürgerinitiative auf dem richtigen Weg: Die Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Obernkirchen ist genau betrachtet rechtswidrig und damit unwirksam. Der daraus entwickelte Bebauungsplan und die dazugehörige erteilte Baugenehmigung wäre demnach ebenso rechtswidrig. Die BI werde mit gestärktem Rücken weiterhin versuchen, den Bau des Großklinikums in der Vehler Feldmark zu verhindern. „Für uns ist das eine sehr nervenaufreibende Sache,” erklärte Knickmeier. Fernab vom Querulaten-Dasein. Foto: wa