„Zwischen Russland und Brasilien eingeklemmt zu sein, heißt nicht, dass wir zerquetscht werden”, erklärte Doktor Christian Bickert Agrarwissenschaftler und stellvertretender Chefredakteur der „Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft”. Auch wenn er keinen Zweifel daran ließ, dass in Zukunft noch mit großen Produktionssteigerungen von landwirtschaftlichen Produkten in verschiedenen Regionen der Welt zu rechnen sei, wie er unter der Überschrift „Zwischen Russland und Brasilien, Umweltromantik und Marktnähe” auf der von der Sparkasse Schaumburg, dem Landvolk und der Landberatung im Schützenhaus Stadthagen organisierten Veranstaltung klarmachte. In seinem Vortrag verwies er auf die vorteilhafte Ausgangslage landwirtschaftlicher Betriebe in den großen, mit Europa konkurrierenden Agrarregionen. In Brasilien ebenso wie in Russland und der Ukraine könnten die Landwirte auf vergleichsweise riesigen Betriebsflächen ihre Produkte sehr kostengünstig anbauen. In Brasilien würden noch zusätzliche Flächen erschlossen. Längst werde hier moderne Agrartechnik genutzt oder eingeführt, die zu entsprechend hoher Produktivität führe. Brasilien, Argentinien, Russland, die Ukraine, die USA und Kanada, Australien sowie im Bereich Palmöl Malaysia und Indonesien seien die weltweiten Konkurrenten für die bäuerlichen Betriebe in der EU. Derzeit seien die Verkehrswege beispielsweise in Russland und Brasilien noch nicht ausreichend ausgebaut, um die Produkte günstig in hohem Umfang auf den Weltmarkt zu bringen. Es sei jedoch nur eine Frage der Zeit, bis sich dies verändere. Bei den meisten Ackerfrüchten könnten die Betriebe in Deutschland und Europa dann kaum noch auf dem Weltmarkt konkurrieren. In Reaktion darauf gelte es, verstärkt die Chancen im Binnenmarkt zu suchen. So steige beispielsweise die Nachfrage nach Stärke und es gebe viele weitere Möglichkeiten. Stärker und intensiver als der oben beschriebene Druck von außen werde sich jedoch der „gesellschaftliche Druck von innen” auswirken, so Bickert. Tierwohl, Artenvielfalt und vieles weitere, die bäuerlichen Betriebe würden sich den Anforderungen anpassen müssen. Beispiel sei das Volksbegehren zum Schutz der Bienen in Bayern, das erhebliche Veränderungen einfordern würde. Die gesellschaftlichen Trends würden in den städtischen Zentren gesetzt, so Bickert. Von einer Bevölkerung, die in hohem und steigendem Maße akademisiert sei und wenig Bezug zum Alltag in der Landwirtschaft habe. Demgegenüber würden Menschen aus dem Bereich der Landwirtschaft und mit handwerklichem Hintergrund an Einfluss verlieren. Hinzu komme, dass in einer Gesellschaft mit steigendem Durchschnittsalter verstärkt bewahrende Tendenzen eine größere Rolle spielen würden. Folge sei ein „innerer Druck” der sich rascher einstelle und einen „viele tieferen Eingriff in die bäuerliche Wirtschaftsweise” bringe, als die steigende Weltmarktkonkurrenz. „Wir müssen schauen, was wir tun können, jeder einzelne”, empfahl Bickert den rund 150 Landwirten im Publikum. Es gelte, sich den Trends zu stellen und sich den Anforderungen frühzeitig anzupassen. Vegane Produkte, Gastronomie, Regionalisierung, Bioproduktion in Teilbetrieb, es gebe eine Reihe von Möglichkeiten. Viele Betriebe würden jedoch auf der Strecke bleiben, vermutete Bickert angesichts der Herausforderungen. Foto: bb/archiv bb