Kinder geraten in den toten Winkel Nach ein paar begrüßenden Worten von Ingetraud Wehking, BASTA, und Kreisrätin Katharina Augath, eröffnete Ludwig Salgo, Professor für Rechts- und Erziehungswissenschaften der Universität Frankfurt/Main, den Fachtag. In Fällen von Häuslicher Gewalt seien meist Frauen und Kinder die Opfer. Zwischen 30 und 60 Prozent aller Frauen und Kinder würden unter Misshandlungen durch ihre Partner beziehungsweise Väter leiden. In seinem Vortrag bezog sich Professor Salgo besonders auf die Situation der Kinder, sei es in Bezug auf das Umgangsrecht zu den Eltern oder auf den eigentlichen Gewaltschutz. „Bei häuslichen Gewaltdelikten geraten die Kinder meist in den toten Winkel. Eltern unterschätzen die Auswirkungen auf ihre Kinder und rechtfertigen sich meist mit der Ausrede, die Kinder würden im Nebenzimmer schlafen und den Streit nicht mitkriegen”, erklärte Salgo bestürzt. Die inkonsequente Behandlung solcher Fälle führe meist dazu, dass eine erneute Gewaltsituation im Haushalt auftreten würde. Laut Professor Salgo ist es wichtig, dass das Umgangsrecht nicht gegen den Gewaltschutz wirken sollte. Im Zweifel sollte der Schutz des Kindes im Fokus stehen, auch wenn eine Trennung stattfinden muss. Die tiefe Traumatisierung von Kindern durch Häusliche Gewalt wird dabei meist unterschätzt. Denn Kinder, die schon in frühen Jahren mit Gewaltausübungen konfrontiert wurden, neigen später zu einer höheren Gewaltbereitschaft. Traumata sind für Kinder besonders schädigend Jacob Bausum, Trauma-Pädagoge und Bildungsreferent im Zentrum für Traumapädagogik in Hanau, erklärte im Anschluss daran, wie wichtig es sei, Kinder in ihren Verhaltensweisen zu verstehen, bevor man mit ihnen über Traumata oder Gewalt spricht. Schwerpunkt seines Vortrages war daher die Frage, wie Kommunikation mit traumatisierten Kindern gelingen kann. „Anschreien und Schuldeinreden führt zu nichts, außer uns selbst zu unserer eigenen emotionalen Grenze zu bringen”, erklärte er. Alle Menschen würden belastende Erfahrungen im Laufe ihres Lebens durchmachen. Kinder allerdings können durch Erlebnisse traumatisiert werden, die Erwachsene nicht für traumatisch halten. Gerade im frühen Kindesalter seien Traumata besonders schädigend, da Kinder noch keine Schutzmechanismen zur Verfügung hätten. „Besonders dann ist es wichtig, dass Kinder eine dauerhafte gute Beziehung zu mindestens einer primären Bezugsperson haben, an die sie sich binden können. Das sind wir, die Pädagogen”, machte Bausum klar. In traumatischen Situationen würde im Kopf und Körper der Kinder einfach so vieles gleichzeitig passieren, dass es zu einer Zersplitterung der Sinneseindrücke kommen würde. Kinder spalten das Geschehen von ihrem Bewusstsein ab: dadurch sei alles, was das „ich” betrifft, gestört. „Traumata und Gewalt setzen Kindern Scheuklappen auf. Dann ist es besonders wichtig, die Kinder nicht alleine zu lassen.” Im Anschluss an die Vorträge und einer von Diskussionen angeregten Mittagspause folgten vier verschiedene Workshops, die sich eingehender mit den Folgen von Häuslicher Gewalt bei Kindern, kindgerechten Zugängen zum Hilfe-System, Verfahrensfragen des Kinderschutzes in Fällen Häuslicher Gewalt und der Zusammenarbeit im System Familie beschäftigen. In Gruppen diskutierten die Anwesenden über die jeweiligen Themen und trugen so zu einem informellen Austausch unter Kollegen bei. Ein letztes Zusammenkommen aller Teilnehmer rundete den Tag ab. „Einen sehr erfolgreichen Tag der Vernetzung”, sind sich alle einig. Foto: jb