Es liegt in der Handfläche, passt in jede Tasche und wiegt doch manchmal mehr als ein ganzes Leben. Ein kleines Herz aus Speckstein, glatt geschliffen, hellgrau, fast unscheinbar. Und doch ist es für viele Angehörige im Agaplesion Klinikum Schaumburg ein Symbol geworden: für den letzten Moment mit einem geliebten Menschen und für einen Abschied, der bleibt.
Seit Monaten bekommt Jörg Rudolph, Seelsorger am Klinikum, regelmäßig Bilder per Handy geschickt. Darauf zu sehen ist das kleine Specksteinherz. Mal sieht man es in der Sonne von Ravello an der Amalfiküste, mal ist es am Ufer der Nordsee, mal schwebt es über den Wolken, oder ist am Taj Mahal oder am Weißen Haus in Washington, D.C.
„Die Angehörige einer im Agaplesion verstorbenen Patientin nimmt es mit auf ihre Reisen“, erzählt Rudolph. „Und sie und ihre Mutter lassen uns daran teilhaben. Jedes Foto ist wie eine kleine Botschaft: Das Herz reist weiter. Die Erinnerung auch.“
Trauern jenseits aller Konfessionen
Rudolph wirkt ruhig, bedacht. Wer mit ihm spricht, merkt schnell, dass er zuhört und immer ein offenen Ohr hat. „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an“, zitiert er aus dem Alten Testament. Doch im Agaplesion, das sich selbst als Klinikum mit Herz versteht, geht es beim Thema Trauerarbeit nicht um Religionen, sondern darum, dass Jeder mit dem Herzen sieht.
Die Trauerbegleitung in Vehlen folgt einem offenen, nicht konfessionsgebundenen Ansatz. Gerade im Moment des Abschieds sollen Menschen sich gestützt und getragen fühlen. „Die Umgebung im Krankenhaus überfordert viele. Der Tod ist ein Ausnahmezustand. Unser Ritual hilft, sich zu verabschieden – im eigenen Tempo, auf eigene Weise.“
Abschied mit Symbolkraft
Ein Teil dieses Rituals ist das Specksteinherz. Nach dem Tod eines Patienten oder einer Patientin wird es den Angehörigen überreicht, als kleines Erinnerungsstück, greifbar in einer Situation, in der vieles entgleitet.
Für manche bleibt es zuhause, in einer Schublade, auf dem Nachttisch. Andere – wie die Familie der verstorbenen Dame – nehmen es mit hinaus in die Welt. „Es wird fotografiert, auf Reisen geschickt, an besonderen Orten abgelegt“, erzählt Rudolph. Solche Bilder landen regelmäßig auf seinem Handy.
Ein Abschied, der trägt
Das Agaplesion veranstaltet zwei Mal im Jahr offene Trauerfeiern. Einmal im Mai, einmal im Herbst. Dazu kommen spezielle Feiern auf der Palliativstation sowie Abschiede für Sternenkinder, die gemeinsam mit dem Netzwerk Sternenkind in Schaumburg gestaltet werden.
„Es geht um Würde, um Zeit, um das gemeinsame Gedenken“, sagt Rudolph. Rückmeldungen von Angehörigen seien für ihn und das Team immer wieder bewegend. „Oft werde ich stellvertretend angesprochen, aber ich weiß: Das Lob gilt allen – den Pflegekräften, Ärzten, dem Ehrenamt. Es zeigt, dass unsere Arbeit nicht verpufft. Und das ist ein gutes Gefühl.“
Dass die Geschichte des kleinen Herzens nun den Weg in die Öffentlichkeit findet, war Rudolph wichtig. Und zwar aus Dankbarkeit. „Manche Dinge verdienen es, erzählt zu werden. Auch, um anderen Mut zu machen.“
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