Im Vordergrund stehen die Bildungsaufgabe, der Austausch und die Vernetzung, betont das Duo. „Selbst wenn jeder nur zwei Kleinigkeiten für sich mitnehmen kann, ist schon ganz viel gewonnen”, sind die Initiatorinnen überzeugt. Ihr Motto: Jeder Beitrag ist besser als keiner. Im Interview verraten die beiden, wie die Idee für den nachhaltigen Kulturmarkt entstanden ist, was Nachhaltigkeit im Alltag bedeutet und was jeder einzelne von heut auf morgen ändern kann. Mehr Informationen online unter www.gruenemeile.org. Schaumburger Wochenblatt: Erinnert ihr euch, wann ihr euch das erste Mal mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt habt? Muriel: Das war bei mir im Bioladen „Gänseblümchen”, in dem ich sechs Jahre gearbeitet habe. Da waren Bioprodukte und Regional-Saisonal das erste Mal für mich ein Thema. Als ich selbst eingekauft habe, wurde es immer mehr. Man hat recherchiert, was es alles gibt; hat angefangen, Sachen von zu Hause mitzunehmen und nicht so viel unterwegs zu kaufen. Dann kam irgendwann der erste Kaffeebecher, den man wiederbenutzen kann (lacht). Und im letzten Jahr haben wir dann angefangen uns auch fachlich damit auseinanderzusetzen. Lisa: Ich bin in einem ziemlich ökologischen Haushalt aufgewachsen. Meine Eltern achten sehr auf Mülltrennung, machen ihre eigenen Komposte, haben Solarpaneele auf dem Dach und setzen sich viel mit dem Thema auseinander. Aber als Jugendliche fand man das irgendwie nicht so cool. Erst als ich ausgezogen bin, habe ich gelernt das zu schätzen, was ich aus der Kindheit mitgenommen habe. Worum es sich beim Thema Nachhaltigkeit dreht, wurde mir aber erst in der Universität bewusst, besonders als wir nach Berlin zum Festival der Taten gefahren sind. Da ging‘s intensiv um die 17 Ziele. SW: Und wie kamt ihr dann auf die Idee, eine „Grüne Meile” ins Leben zu rufen? Lisa: Das war tatsächlich schon früher. Muriel: Wir sind uns im Master-Kolloquium über den Weg gelaufen. Wir saßen da beide mit unseren Weckgläsern und kamen ins Gespräch, dass es so viel Plastik gibt und dass es so leicht ist, ein paar Dinge für die Nachhaltigkeit zu tun. Und dann hat Lisa auch noch die gleiche Trinkflasche wie ich sie hatte auf den Tisch gestellt. Da haben wir uns gedacht: Lass uns doch zusammen ein Projekt machen. Daraus wurde die „Grüne Meile” und eins kam zum anderen. Lisa: Als Tommy gesagt hat, wir können das hier im Kesselhaus machen, wussten wir: Jetzt müssen wir es auch wirklich durchziehen (lacht). Und der ganze Arbeitsprozess hat total Spaß gemacht. Das Festival der Taten war eher eine Bildungsaufgabe für uns, sich nochmal fachlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Muriel: Und noch Ideen von anderen zu holen. Da waren 500 junge kreative Köpfe, die uns Rückmeldung geben konnten zu unserem Vorhaben. SW: Wer darf und soll sich denn von eurem Nachhaltigkeitsmarkt angesprochen fühlen? Muriel: Wir möchten alle ansprechen. Wir haben das Ganze weniger nach einer konkreten Zielgruppe ausgelegt, sondern eher als eine Bildungsmöglichkeit. Es soll für jeden verständlich sein. SW: Was erhofft ihr euch davon? Lisa: Dass man andere Menschen damit erreicht, die sich durch uns sogar vielleicht inspiriert fühlen und Bock haben, selber Dinge zu machen und unser Projekt dafür adaptieren. Und natürlich möchten wir zeigen, dass es nicht schwierig ist Nachhaltigkeit umzusetzen, sondern super viel Spaß machen kann. Muriel: Und auch eine Menge Leichtigkeit, weil wir bisher das Gefühl hatten, dass Nachhaltigkeit oft mit Radikalität zusammenhängt: Entweder man macht es vollständig oder kann es lassen, es gibt da wenig Graustufen. Davon wollten wir uns lösen, dass man Dinge nicht immer mit einem erhobenen Zeigefinger angeht, sondern versucht mit Freude zu vermitteln und zeigt, dass auch kleine Veränderungen viel bewirken können. Es geht darum, für sich persönlich einen Weg zu finden, wie man seinen Teil dazu beitragen kann. Nicht jeder muss den gleichen Teil machen und immer 100 Prozent konsequent sein und sich deswegen auch nicht verurteilen lassen. SW: Was kann denn jeder einzelne von uns von heut auf morgen ganz unkompliziert ändern? Muriel: Jeder kann Bewusstsein schaffen, zum Beispiel beim Einkaufen, und schauen, wie er sein Verhalten ändern kann. Wie kann ich Plastik vermeiden? Kann ich meine Äpfel, Birnen und Bananen lose kaufen? Kann man in der Regel. Oder kann ich beim Joghurt beispielsweise auf den Plastikbecher verzaichten und ihn stattdessen im Mehrwegglas kaufen? Einfach sein Konsumverhalten hinterfragen. Brauche ich die Dinge tatsächlich oder ist es nur ein Verlangen, das ich für den Moment habe? Oder beim Duschen, das war am Anfang für mich ein riesengroßer Schritt. Ich dusche so gern lang (lacht) und irgendwann habe ich beim Haareeinschäumen angefangen, das Wasser auszumachen. Und irgendwie ist meine Duschzeit immer kürzer geworden und das ist für mich heute völlig in Ordnung. Das sind Umgewöhnungen, die ganz leicht machbar und ziemlich unkompliziert sind. Oder auch mal mit dem Fahrrad irgendwo hinfahren, man muss nicht immer das Auto nehmen. Lisa: Bei mir war es vor allem das Konsumverhalten, dass ich mich immer gefragt habe: Brauche ich das wirklich? Dann habe ich auch angefangen, Tauschbörsen zu organisieren. Wir hatten letztens eine in unserer Wohngemeinschaft, wo wir unsere Türen für die Nachbarn geöffnet und Klamotten getauscht haben, bevor wir uns neue kaufen. Wir schmeißen auch kein Essen mehr weg. Wenn was übrig bleibt oder wir wegfahren, verschenken wir es oder geben es den Nachbarn. Muriel: Extrem verändert hat sich bei mir das Verhältnis zum Auto. Als ich 18 war, bin ich andauernd mit meinem Auto durch die Gegend gefahren, im ersten Semester des Studiums war das auch noch so. Aber dann hat es bei mir auf einmal Klick gemacht und ich dachte: Warum eigentlich? Ich habe zwei gesunde Beine und ein Semesterticket, das absurd teuer ist. Da ging das los, dass ich immer mehr aufs Auto verzichtet habe und mit der Bahn und dem Rad gefahren bin. Und das hat sich so durchgezogen. SW: Auf eurer Homepage ist zu lesen, dass ihr nicht nur Nachhaltigkeit vermitteln, sondern auch den Markt selbst ressourcenschonend auf die Beine stellen wollt… Muriel: Wir haben sehr wenig gekauft, abgesehen von organisatorischen Klassikern wie Toilettenpapier. Wir verwenden keine Einwegtücher, sondern Stoffhandtücher. Es gibt ein Programm, das wir aufhängen, aber nichts im Flyerformat. Wir haben Neon-Klebeband, mit dem wir den Raum gestalten wollen, aber selbst das haben wir bei nachhaltigen Dienstleistern bestellt. Lisa: Auch nachhaltige Werbung war ein Thema, weil Flyer heutzutage viel im Mülleimer landen. Wir haben jetzt einen Stempel organisiert, wo unser Logo mit dem Veranstaltungsdatum drauf ist. Den haben wir auf gefaltete Papiertüten gedrückt, Pflanzensamen reingetan und zum Beispiel beim Bienenfest an die Menschen verteilt – zum Aufmerksammachen. SW: Was ist das größte Problem beim Thema Nachhaltigkeit? Lisa: Dass man sich an die eigene Nase fassen und Bequemlichkeiten, an die man sich gewöhnt hat, aufgeben muss. Muriel: Der Überfluss an Informationen: Worauf kann man sich verlassen? Und ich glaube, dass an zu vielen Stellen auf einmal gearbeitet wird. Da den Überblick zu behalten, was welche Auswirkungen hat, finde ich ganz ganz schwer.