Dass der große Saal des Bückeburger Rathauses trotz eines parallel laufenden Spieles der Fußball-Champions League sehr gut besucht ist, zeigt, dass wir ein Thema von erheblicher Bedeutung präsentieren”, sagte Sparkassen-Vorstand Rolf Watermann zur Begrüßung. Erbrechtsexperte Ruby - der Villinger Rechtsanwalt ist Gründer der ersten deutschen Spezial-Kanzlei für Erbrecht und gilt als Erfinder der Veranstaltungsform „Erbrechtstage” - kam den Irrtümern in recht unterhaltsamer Art und Weise auf die Schliche.
Er verzichtete auf verklausuliertes Juristendeutsch und klärte frei nach Schnauze die Fehleinschätzungen zumeist anhand praktischer Beispiele auf. Mitunter griff er das Schema des Rollenspiels auf und stellte die handelnden Personen und deren Charaktere dar. Mal bezog er das Auditorium direkt ein - „Sie (die linke Saalseite) sind jetzt das böse Kind”. Trotz des enormen Unterhaltungswertes blieb der Referent in der Sache indes knallhart. „Ich will Ihnen 15 Rettungspflöcke ins Herz rammen. Wenn es jetzt weh tut, ist’s besser als später”, stellte er seinen Ausführungen voran. Und: „Es ist nie zu früh für ein Testament.”
Die Verhandlung der 15 Problemstellungen ging Ruby zumeist recht flott von der Hand. Enterbungsirrtum (Ehepartner können sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, ohne dass die Kinder etwas bekommen): Dem steht selbstverständlich die Pflichtanteilregelung entgegen. Einheitswert-Irrtum (beim Vererben gilt für Grundbesitz der Einheitswert): Seit 1996 zählt nur noch der wirkliche Wert. Wilde-Ehe-Irrtum (Lebenspartnerschaften sind neuerdings der Ehe rechtlich gleichgestellt): Gilt nur für „eingetragene Lebensgemeinschaften”, sogenannte Homo-Ehen. Kuckucksei-Irrtum (uneheliche Kinder erben nichts): Diese Kinder gehören seit 1998 zur Erbengemeinschaft - selbst wenn der Vater nichts von ihnen weiß. Geier-Irrtum (ich kann von meinen Eltern den Pflichtteil schon zu deren Lebzeiten verlangen): Unausrottbar aber falsch. „Da muss man schon warten, bis jemand gestorben ist”, betonte der Experte.
Andere Missverständnisse erforderten - „wie bringe ich Ihnen das jetzt am besten rüber?” - die volle Konzentration von Redner und Zuhörerschaft. Als etwa beim 10-Jahres-Irrtum (nach zehn Jahren ist im Erbrecht alles vorbei) Erb- und Steuerrecht ineinander griffen. „Steuerrecht ist ein eigener Planet”, konstatierte Ruby. Oder als beim Ausgleichungsirrtum Geldentwertung und Teuerungsrate in die Kalkulation einzubeziehen waren.
Oder als der Sippenhaft-Irrtum (Erben müssen immer für die Schulden ihrer Eltern aufkommen) auf dem Programm stand.
„Ein ganz schwieriges Rechtsgebiet”, erläuterte der Rechtsanwalt, insbesondere wenn der Vater kein „von und zu” sondern ein „auf und davon” gewesen sei. Es bestehe allerdings unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, eine Erbschaft im Nachhinein anzufechten oder den Konflikt über eine Nachlassinsolvenz zu regeln.
Mit der Erhellung des Unternehmer-Irrtums (ich kann mein Unternehmen genauso vererben wie anderes auch - das „Berliner Testament tut’s) lieferte der Referent sozusagen einen Appetitanreger für Professor Thomas Reich, der am Dienstag, 22. März, zum Thema „Unternehmensnachfolge - ertragssteuerliche Probleme beim Erbfall” sprechen wird. Ruby fasste sich eingedenk des in Aussicht stehenden Vortrags kurz, wies aber mit Nachdruck darauf hin, dass gerade in Unternehmen „alles geregelt sein muss”. Alles andere sei „grob fahrlässig”.
Dass im Rahmen der Vorsorgeregelung für Vermögen und Familie nicht nur die schlichte Juristenerkenntnis „das Gut rinnt wie das Blut” zur Anwendung kommt sonder sogar das scheinbar Unmögliche gelingen kann, stellte Ruby mit der Korrektur des Quadratur-des-Kreises-Irrtums (das optimale Testament gibt es genauso wenig wie die Quadratur des Kreises) unter Beweis. Das aus seiner Heimat stammende „Schwarzwälder Testament” lautet: „Liebe Kinder, ich wollte nicht, dass Ihr Euch einmal wegen meines Erbes streitet. Deshalb habe ich bereits zu meinen Lebzeiten alles verzehrt und vertrunken und nach dem Motto gelebt „genieße das Leben beständig, denn du bist länger tot als lebendig””.
Fehlte nur noch der Abschiedsgruß: „Träumen Sie heute Nacht von etwas Schönerem als vom Sterben und Vererben.”
Foto: mh