Weiter hinten angekommen, säumen bunte Sommerblumen die Gemüsebeete und zwei kleine Gewächshäuser. Wilkening, im Blaumann und Strohhut, ist gerade dabei echte Kaventsmänner aus der Erde zu holen: Die Ernte der Kartoffelsorte „Belana” ist in diesem Jahr besonders üppig ausgefallen. Schon in Kindertagen bewirtschaftete er zusammen mit seiner Mutter den großzügigen Garten. Damals noch neben einem Fachwerkhaus, dies musste allerdings in den 60er Jahren abgerissen und neu aufgebaut werden. Das Gärtnern hat den Helpser auch in diesen Tagen nie losgelassen. Als Mitglied im Gartenbauverein Stadthagen und Umgebung eignete er sich umfassendes Wissen der Obst- und Gemüsezucht an. Besonders spannend ist für den 75-jährigen die Veredelung. Nicht viele Hobbygärtner trauen sich an diese Aufgabe heran. Obstbäume zu veredeln erfordert vorallem Geduld aber auch eine Portion Glück und das richtige Händchen. Wilkenings Vorzeigestück ist ein Birnenbaum, den er mit zwölf unterschiedlichen Birnensorten veredelt hat. Auch der Laie erkennt auf den ersten Blick: An diesem Baum hängen Früchte die sich in Form und Farbe unterscheiden. Süß im Geschmack und kleingewachsen ist die „Gute Luise”. Groß, gelb und typisch Birne ist die „Williams Christ”, die man hierzulande kennt. Wilkening führt einmal um den Baum herum und erklärt die weiteren Gattungen: Gräfin von Paris, Birne Gries, Dicke Permut, Herzogin von Elba, Birne von Steinfurt, vier Unbekannte aus den umliegenden Orten und die Pastoren Birne. Letztere ist nach Aussage des Veredelungskünstlers nicht sehr schmackhaft. Doch das gehört dazu - nicht jede Zucht trifft jeden Gaumen. Insgesamt hat er 26 Apfel- und 23 Birnensorten auf seinem Grundstück. Während er versucht einem Unwissenden zu erklären, wie denn nun veredelt wird, führt der Hobbygärtner hinter das Wohnhaus. Dort wachsen, eingepackt in einen Schutzmantel aus Plastik, stattlich fleischige Ochsenherzen. Eine Liebhabersorte unter den Tomaten. „Die wollen wir mal wiegen”, sagt Wilkening und knappst die dicke rote Frucht von der Staude. Stolze 883 Gramm zeigt die kleine Küchenwaage an. „Viel Fruchtfleisch und wenig Kerne, dass macht das Ochsenherz aus”, sagt der Mann mit dem grünen Daumen. Auch eine kleine Schar Hühner nennt er sein eigen. Und die fressen mit Vorliebe die übrig gebliebenen Apfel- und Birnengriebsche. Nach dem Rundgang durch Wilkenings Garten fühlt sich der Betrachter, als wäre er in einer heilen Welt angekommen. Fernab von EHEC und Dioxinskandalen. Hier, mitten in Schaumburg, werden keine „bio”-Aufkleber benötigt. Hier ist jede bunte Frucht wirklich biologisch angebaut. Als ökologisches Düngemittel rührt der Hobbygärtner sogenannte Brennesseljauche an. Das altbewährte Rezept bringt Nutz- und Zierpflanzen gleichwertig zum sprießen und schützt dazu auch noch vor unliebsamen Schädlingen. Viele Kinder wissen heutzutage noch nicht einmal, wie eine normale Tomate aussieht. Wilkenings Enkelkinder dagegen können aus dem vollen schöpfen und sich über eine bunte Palette Grünzeug aus dem Garten von Opa freuen. Denn eines ist klar: Mehr Bio in Obst und Gemüse geht nicht. „Moment”, sagt der 75-jährige und verschwindet zwischen Büschen und Sträuchern. Ein paar Sekunden später steht er schon wieder parat. In der Hand ein kleines Bündel mit weißen Johannisbeeren. „Die sind am süßesten”. Und deshalb verschwinden sie auch gleich im Mund. Foto: wa