Denn ein persönlicher Austausch ist zurzeit nur sehr eingeschränkt statt, dabei sind diese Treffen für Betroffene von zentraler Bedeutung. Die Selbsthilfekontaktstelle des Paritätischen Kreisverband Schaumburg bietet als zentrale Anlaufstelle, Hilfe und Unterstützung. In Selbsthilfegruppen schließen sich Menschen zusammen, die ein Thema verbindet. Oftmals finden diese in einer Selbsthilfegruppe Expertinnen und Experten in eigener Sache. Die Teilnehmenden einer Selbsthilfegruppe profitieren von der Erfahrung und dem Wissen der anderen, unterstützen sich gegenseitig. In Zeiten von Corona unterstützt die Kontaktstelle nicht nur in Sachen Selbsthilfe, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen, in denen sich Betroffene mit Sorgen, Ängsten und Verunsicherungen konfrontiert und alleine fühlen. Allen Bürgerinnen und Bürger in Schaumburg, die sich ein offenes Ohr, Zuspruch und Krisenbewältigungsstrategien wünschen, stehen die Mitarbeitenden im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Seite. Einige Gruppenleiter standen dem Schaumburger Wochenblatt Rede und Antwort zur aktuellen Situation und den damit verbundenen Herausforderungen. In dieser Woche sprachen wir mit Maik Behrendt von der Gruppe „Hoffnungsschimmer - SHG gegen Depression und Ängste. Schaumburger Wochenblatt (SW): Findet aktuell ein Austausch statt? Wenn ja, wie sieht dieser aus? Maik Behrendt: Ja, es finden Treffen statt, allerdings derzeit nur im Freien. Wir gehen regelmäßig auf der Wallanlage in Stadthagen spazieren, in Zweiergruppen. Dies hatten sich die Teilnehmenden gewünscht. Allerdings können aktuell keine „Neuen” aufgenommen werden. SW: Wann und wo treffen Sie sich unter normalen Umständen? MB: Unter normalen Umständen treffen wir uns jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat im SHG-Treff in Stadthagen, Marienstraße, immer in der Zeit von 19.15 bis 21.15 Uhr. SW: Wo können sich Betroffene/Interessierte melden? MB: Über die E-Mail shg-hoffnungsschimmer@gmx.de und die Selbsthilfe Kontaktstelle Paritätischer Schaumburg e.V. SW: Können Betroffene einfach zu den Treffen kommen? MB: Wir veranstalten vier Mal pro Jahr ein offenes Treffen - im Februar, Mai, August und November immer am vierten Dienstag des Monats im SHG-Treff. Wir hoffen, dass wir den Termin im Mai tatsächlich anbieten können. SW: Wie kann die Teilnahme in der Selbsthilfegruppe helfen? MB: Jeder ist Experte aus Erfahrung und über diese tauschen sich die Betroffenen aus. Es geht nicht darum, konkrete Ratschläge zu geben. Sondern vielmehr darum, von seinen Erlebnissen zu erzählen und was einem selber in einer ähnlichen Situation geholfen hat. Der Gesprächspartner kann dann reflektieren und für sich selber entscheiden, was er davon nutzen möchte. In der Selbsthilfegruppe muss sich niemand erklären, wir können uns ohne viele Worte verständigen. Die Treffen sind ein gutes Ventil, einfach alles rauszulassen. Die Spaziergänge und die damit verbundene Bewegung an der frischen Luft tut gut. SW: Aktuell sind Treffen nur eingeschränkt möglich, wie wirkt sich das auf die Betroffenen aus? MB: Durch Corona ist die psychische Belastung sehr start gestiegen, das bestätigen auch erste Untersuchungen. Bewältigungsstrategien haben stark gelitten, die depressive Symptomatik hat sich verstärkt und auch die psychosomatischen Reaktionen kommen wieder. Wird sind circa zehn Teilnehmer in der Gruppe und im ersten Lockdown war die Angst vor Corona so groß, dass wir uns auch draußen nicht getroffen haben. Nun gehen wir ja gemeinsam spazieren und das hilft schon sehr, denn jeder von uns ist in seinem Umfeld im Grunde alleine betroffen. Die Bewegung an der frischen Luft, das Zusammenkommen mit anderen Leittragenden, das Wahrnehmen der sich verändernden Natur, das alles ist für uns besonders wichtig. Wir sind sehr ängstlich und verlassen daher nur noch selten die eigenen vier Wände. Zusammen einen gemeinsamen Weg zu gehen - metaphorisch und buchstäblich - ist umso wichtiger für uns. SW: Würden Sie sagen, dass sich das Selbstmordrisiko stark erhöht hat? MB: Ja, die Zahlen sind deutlich nach oben gegangen. Ich selbst habe 2015 versucht mir das Leben zu nehmen, das es nicht geklappt hat, ist wie ein Motor für mich. Ich bin in der ergänzenden unabhängigen Teilhabe-Beratung tätig und erlebe, dass die Belastungen dramatisch angestiegen sind. Hinzu kommt, dass die Zahl der Neuerkrankungen steigt. Viele Menschen, die mit psychischen Erkrankungen bislang nichts zu hatten, sind plötzlich betroffen. Homeschooling, Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit führen bei immer mehr Personen zu einer Überforderung. Und dann sind da noch die vielen Angehörigen Verstorbener, die keinen Abschied nehmen konnten - all das belastet die Menschen mehr und mehr. Viele suchen sich derzeit keine Hilfe bei Fachärzten oder Psychotherapeuten weil sie Angst vor Ansteckung haben, sie bleiben alleine mit ihren Problemen. Auch die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung hat sich verschlechtern. Gab es im ersten Lockdown noch eine Welle der Solidarität, so ist davon aktuell nur noch wenig zu spüren. SW: Gibt es noch andere Unterstützungsangebote, die bei Bedarf helfen können? MB: Der Sozialpsychiatrische Dienst bietet eine kostenfreie Beratung an, auch die ergänzende unabhängige Teilhabe-Beratung greift bei psychischen Problemen. In Schaumburg steht zudem das Schaumburg Bündnis gegen Depression sowie die Angehörigengruppe Sonnenschein zur Seite. Akute Unterstützung gibt es bei der Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 sowie beim Seelefon unter 0228 71002424. SW: Was wünschen Sie sich von der Politik mit Blick auf Ihre Situation? MB: Die Perspektivlosigkeit ist ein großes Problem. Wir brauchen dringend mehr Planbarkeit. Die Krisensituation ist global, dennoch wünsche ich mir mehr Gelassenheit, immerhin leben wir in Friedenszeiten. Wir müssen stärker in den Focus rücken, dass es endlich eine Impfung gibt und hier einfach mehr aufklären. Die Bevölkerung sollte wieder mehr Eigenverantwortung sowie Solidarität zeigen und kreativ werden, wenn es darum geht Kontakte zu pflegen. Mir ist es wichtig, Mut zu machen. Holen Sie sich Hilfe. SW: Vielen Dank für das Gespräch.