Lediglich die „Notdienst-Apotheke“, die Bärenapotheke in Stadthagen, hatte für unaufschiebbare Medikamentenversorgung geöffnet. Hier, in der Bahnhofstraße, hatten sich zeitweise bis zu 40 Inhaber und Mitarbeiterinnen für die Protestaktion getroffen. Matthias Götzlaff, Inhaber der „Flora-Apotheke“ in Haste, hatte gemeinsam mit der Inhaberin der „Linden-Apotheke“ in Lindhorst, Ulrike Peter, die Organisation für die Kundgebung in Stadthagen übernommen. Götzlaff ist Vorstandsmitglied und Bezirksvorsitzender im Apothekerverband Niedersachsen, Ulrike Peter ist nebenbei die Bezirksapothekerin bei der Apothekerkammer Niedersachsen. Im Gespräch machten die beiden Apotheker die Misere ihrer Branche in Deutschland deutlich. Eine völlig überzogene Bürokratie macht die tägliche Arbeit sehr viel schwerer. Die pandemiebedingten einzelnen Erleichterungen bei der Abgabe von Medikamenten enden am ersten August. Danach dürfen Rezepte nur noch genauso ausgegeben werden, wie diese vom Arzt verordnet wurden. Hat dieser beispielsweise eine Packungsgröße von 40 verschrieben, darf die Apotheke nicht auf zwei 20er-Packungen ausweichen, wenn die größere Packung nicht lieferbar ist. Erst nach telefonischer Rücksprache mit der Praxis, darf der Wechsel vorgenommen werden. Bereits heute sorgt der Aufwand für eine erhebliche Mehrarbeit und stresst die Mitarbeiter in den Apotheken wie auch in den Praxen. Für viele Medikamente existieren Verträge mit Herstellern – diese können vielfach nicht liefern und ein Ausweichen auf ein identisches Präparat ist ab August ebenfalls nicht einfach so möglich. Ein nächster Kritikpunkt der Branche ist die seit 2013 nicht mehr erfolgte Honoraranpassung – das Fixum, welches die Apotheke für ein Präparat erhält. Anhand einer Statistik zeigte Matthias Götzel Vergleichszahlen auf. Ausgehend von einem Index von 100 aus dem Jahr 2004, weisen die Einnahmen der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) heute einen Index von 205,2 auf. Der Index für das Brutto-Inlandsprodukt stieg auf 181,0, die Tariflöhne für das Personal auf 152,3, der Index der Inflationsrate liegt im Vergleich bei 145,7 und die Apothekenvergütung bei einem Index von 118,8. Dieser ist in den vergangenen zwei Jahren sogar gefallen.
In Schaumburg existieren heute 33 Apotheken – das ist der Stand der 80er – Jahre
Aufgrund von Geschäftsaufgabe, fehlender Nachfolge, hatten auch in Schaumburg eine Reihe von Apotheken geschlossen. Obernkirchens Bürgermeisterin Dörte Worm-Kressin war nach Stadthagen gekommen, um mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen. In der Bergstadt ist von vormals vier Apotheken lediglich eine geblieben. „Die Apothekenvorsoge ist im ländlichen Raum besonders wichtig“, so ihr Statement. Auch Oliver Theiß, Bürgermeister von Stadthagen, besuchte die Aktion in der Bahnhofstraße. „Es gibt Missstände in diesem Land und ich sehe es als meine Aufgabe, mich zu informieren. Dabei will ich mir Informationen aus erster Hand holen“, schilderte Theiß seine Motivation für sein Erscheinen. Axel Wohlgemut und Aileen Borschke waren aus den gleichen Gründen aus Bückeburg und Niedernwöhren nach Stadthagen gekommen.
Mit Transparenten und Plakaten machten die Pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA), Pharmazeutisch-kaufmännischen Assistenten PKA), sowie Apothekeninhaber aus allen Bereichen Schaumburgs sowie aus Steinhude auf die Missstände aufmerksam. Eine außergewöhnliche Geschichte zum Thema Lieferengpässe berichtete Kerstin Peters, PKA in der „Glückauf-Apotheke“ in Lindhorst. Lesen Sie dazu die Story in dem Extra-Kasten.