Das heißt konkret: mehr kostenlose Zertifikate und realistische Benchmarks für die abwanderungsgefährdete Industrie sowie mehr Strompreiskompensation für die energieintensiven Unternehmen. Wir haben im Bereich des Klimaschutzes in den vergangenen Jahren viel erreicht: Trotz Atomausstieg und wirtschaftlichem Aufschwung konnten wir die CO2-Emmissionen von 2005 bis 2016 um 7% stetig reduzieren. Im Vergleich dazu ist in China der CO2-Ausstoß um 67,5%, und in Indien um 93,7% angestiegen. Dies verdeutlicht uns, dass wir bei allen nationalen Erfolgen immer auch den Blick auf die internationale Ebene zu werfen haben, denn nur durch internationale Abkommen können wir dieser Thematik Herr werden. Während im Jahr 2005 noch 56,7% des deutschen Stroms aus fossilen Brennstoffen erzeugt wurden, sind es im letzten Jahr nur noch 45,4% gewesen. Die erneuerbaren Energien konnten wir im selben Zeitraum von 11,4% auf 40,6% ausbauen. Dies zeigt, dass wir bereits viel erreichen konnten, wenngleich wir immer noch vieles zu tun haben. Damit es eben nicht die Menschen in den ländlichen Regionen besonders trifft. Gleichzeitig muss aber natürlich auch das Angebot beispielsweise auf der Schiene besser werden. Da erwarte ich jetzt zügig konkrete Vorschläge von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Bislang zeichnet sich sein Ministerium eher durch Blockadehaltungen aus. Wer wenig schädliche Energieträger verbraucht, wird entlastet. Wir müssen auch die Chancen der Digitalisierung für eine vernetzte Mobilität ergreifen: Bürgerbusse, Ridesharing Modelle, u.a. Außerdem wird der klassische Arbeitsplatz ja schon heute oft durch einen digitalen Arbeitsplatz ersetzt, dem Coworking Space. Da ist es egal, ob man in der Stadt oder auf dem Land arbeitet. Das Land ist ja trotz aller Abgesänge für viele nach wie vor attraktiv. Gerade Familien können sich eine Stadtwohnung nicht mehr leisten. Wir müssen da neue Wege gehen und auch mal quer denken. Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, die es zu ergreifen gilt. Maik Beermann, CDU: Beim Schaffen von Anreizen für energetische Sanierungen an Gebäuden sehe ich keine sonderliche Benachteiligung ländlicher Räume. Bereits heute bietet die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Rahmen von kostengünstigen Krediten und Investitionszuschüssen Anreize, um in energiesparendere Heizsysteme zu investieren. Allerdings hätten wir hier schon deutlich mehr erreicht, wenn der Bundesrat bereits 2011 dem Gesetz zur Schaffung von Steuervorteilen in der energetischen Gebäudesanierung zugestimmt hätte. Sanierte Häuser sparen bis zu 2/3 der CO2-Emmissionen ein. Der für den Bereich Bauen zuständige Bundesinnenminister hat im Mai einen neuen Vorstoß gewagt, hier aktiv zu werden, nun ist es an Bundesfinanzminister Scholz, die hierfür im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Mittel endlich freizugeben! Marja-Liisa Völlers, SPD: Die genaue Ausgestaltung solcher Anreize wird gerade noch erarbeitet. Aktuell werden die Vor- und Nachteile verschiedener Ansätze gründlich bewertet. Bei allen in Frage kommenden Konzepten steht allerdings fest: Diejenigen, die sich kurzfristig eine energetische Sanierung oder Umstellung nicht leisten können, dürfen am Ende nicht die Gebeutelten sein. Gerade für die ländlichen Regionen werden wir das genau prüfen. Hierzu beraten wir auch gerade, welche gezielten Unterstützungsmöglichkeiten es über die Klimaprämie hinaus geben kann. Katja Keul, Bündnis 90/DIE GRÜNEN: Wir wollen mit Fördergeldern Anreize schaffen. Die energetische Sanierung spart Energie, ist gut für das Klima und sorgt nicht zuletzt für den Werterhalt der Immobilie. Da lohnt sich ein solcher Aufwand langfristig immer. Wann eine solchen Investitionsentscheidung zu treffen ist , muss jeweils individuell entschieden werden. Die staatliche Förderung soll eine Unterstützung bieten und wird jedem zugutekommen, unabhängig vom Wert und der Lage der Immobilie. (tau): In Frankreich hat die Ankündigung, die Steuern auf fossile Brennstoffe wie Benzin zu erhöhen, zu massiven Protesten (Gelbwesten) geführt. Es folgte eine Rücknahme der beschlossenen Steuererhöhungen. In Kanada wurde die Einführung einer CO2-Abgabe in vier Provinzen aufgrund ihrer Unpopularität in der Bevölkerung blockiert. Australien hat die 2014 eingeführte CO2-Steuer nach zwei Jahren wieder abgeschafft. Spielt bei Ihren Überlegungen ein möglicher massiver Protest der Bevölkerung eine Rolle? Maik Beermann, CDU: Der Klimawandel, wie auch die Reaktion auf selbigen, ist eine internationale Herausforderung, auf die wir am besten international – sowohl im Rahmen der Europäischen Union aber auch gemeinsam mit unseren internationalen Partnern – zu reagieren haben. Insofern können wir zwar einerseits aus Protesten gegen CO2-Steuern und -Bepreisungen lernen, andererseits muss aber auch global das Bewusstsein für die Dringlichkeit unseres Handelns hergestellt werden. In der Bundesrepublik sind wir in den vergangenen Jahren sehr bewusst mit der Tatsache umgegangen, dass der Kampf gegen den Klimawandel bei jedem einzelnen beginnt und in unseren internationalen Anstrengungen in der Bewältigung dieser Herausforderung mündet. Ich sehe daher weniger das Potential, dass es große Gegenbewegungen zu beispielsweise Fridays for Future geben wird. Hierfür müssen wir als Politik aber auch die Voraussetzung schaffen: Daher heißt es, keine CO2-Steuer auf Kosten des ländlichen Raumes, sondern vielmehr eine nationale Strategie in Verbindung mit europäischen und internationalen Anstrengungen, um unsere CO2-Emmissionen zu reduzieren. Marja-Liisa Völlers, SPD: Natürlich müssen wir aufpassen. Eine CO2-Bepreisung kann erst einmal abschreckend wirken. Das kann ich gut verstehen. Denn sie suggeriert erst einmal „ich muss mehr zahlen”. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir ein gut durchdachtes Konzept erarbeiten, das sozialverträglich ausgestaltet ist. Eines, bei dem es nicht ungerecht zugeht. Hier sind wir dran. Katja Keul, Bündnis 90/DIE GRÜNEN: Wir machen Politik nicht gegen sondern für die Bürgerinnen und Bürger. Ich halte Transparenz und Ehrlichkeit in der Kommunikation für unabdingbar. Wir stehen vor großen Veränderungen: Die Klimakrise, neue politische Spannungsfelder - aber ich bin mir sicher, dass wir das gemeinsam lösen werden. So wie bisher, können wir nicht weitermachen. Das wäre für uns alle die teuerste Variante. Viele Menschen haben das bereits verstanden und sind bereit, Veränderungen mit zu tragen. Bild_1: Maik Beermann, CDU (Foto: privat) Bild_2: Marja-Liisa Völlers, SPD (Foto: SPD-Parteivorstand/Susie Knoll) Bild_3: Katja Keul, Bündnis 90/DIE GRÜNEN (Foto: Deutscher Bundestag/Thomas Koehler)